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Klima

Klima: Warum zwei Grad nicht überall zwei Grad sind

Mittelmeer, USA und Brasilien werden den Schwellenwert früher erreichen

Trockenes Gebiet in Spanien - in dieser Region wirkt sich der KLimawandel früher aus als anderswo. © Fesus Robert/ iStock.com

Der Begriff „Zwei-Grad-Ziel“ täuscht. Denn selbst wenn die globale Erwärmung auf diesen Wert begrenzt wird, werden einige Gebiete deutlich früher und stärker vom Klimawandel betroffen. Wie stark, haben Forscher jetzt genauer ausgerechnet. Demnach hat die Arktis längst den Zwei-Grad-Wert gerissen und das Mittelmeer und die USA werden dieses Limit bereits 2030 erreichen – zehn Jahre früher als der globale Durchschnitt, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Klimaforscher und Politik sind sich hierin weitgehend einig: Es gilt, die Klimaerwärmung auf zwei Grad seit Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Dies wurde Ende 2015 auf dem Klimagipfel in Paris noch einmal bestätigt. Denn gelingt dies nicht, könnten Wetterextreme wie Hitzewellen und Hochwasser, aber auch der schleichende Anstieg des Meeresspiegels oder eine zunehmende Trockenheit ein gravierendes Ausmaß erreichen.

Regionale Abweichungen

„Dieses Klimaziel ist jedoch abstrakt und lädt zu Missverständnissen ein“, erklärt Erstautorin Sonia Seneviratne von der ETH Zürich. Denn zwei Grad im globalen Durchschnitt können regional sehr viel stärkere Veränderungen bedeuten. Zum einen senkt die kühleren Luft über den Meeren den Durchschnitt ab, zum anderen aber gibt es schon jetzt starke regionale Unterschiede im Grad der Erwärmung.

Seneviratne und ihre Kollegen haben daher untersucht, wie sich eine maximale globale 2-Grad-Erwärmung im Detail auf verschiedene Regionen der Erde auswirkt. Sie berechneten dafür anhand von Messdaten und Modellen, welches Niveau die Extrem- und Durchschnittstemperaturen sowie die Starkniederschläge in einzelnen Regionen erreichen werden.

Lineare Zusammenhänge

Das Ergebnis: Selbst wenn das Zwei-Grad-Ziel global eingehalten wird, werden die Durchschnittswerte in vielen Gebieten der Erde darüber hinaus gehen. Denn es gibt einen direkten, linearen Zusammenhang zwischen der Klimaentwicklung insgesamt und den Temperaturveränderungen in den verschiedenen Regionen und des gesamten Globus. Auch die Extremwerte verändern sich in einigen Regionen überproportional stark.

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Anstieg der Temperaturen im Mittelmehr-Gebiet im Vergleich zum globalen Durchschnitt (gestrichelte Linie) © Seneviratne et al./ Nature

„Dass die Effekte so deutlich hervortreten, hätten wir nicht erwartet“, sagt Koautor Markus Donat von der University of New South Wales. Wie die Klimafolgen bei zwei Grad Erwärmung konkret aussehen haben die Forscher an vier Beispielen – dem Mittelmeergebiet, den USA, Brasilien und der Arktis – genauer berechnet.

3,4 Grad am Mittelmeer, sechs in der Arktis

Im Mittelmeergebiet steigen demnach die Mitteltemperaturen selbst bei Erreichen des Zwei-Grad-Zieles um 3,4 Grad an. In Südeuropa und Nordafrika werden schon bei einem CO2-Gehalt der Atmosphäre von 600 Gigatonnen Temperaturwerte erreicht, die global erst bei 850 Gigatonnen CO2 auftreten, wie die Forscher berichten. Auch extrem heiße Tage häufen sich dort schon sehr viel früher als anderswo.

Ähnlich sieht es für die USA und Brasilien aus. In allen drei Regionen wird die Zwei-Grad-Marke schon um 2030 erreicht sein – rund zehn Jahre früher als für den gesamten Globus, so Seneviratne und ihre Kollegen. Diese Gebiete werden daher selbst bei effektivem Klimaschutz deutlich stärker unter den Folgen der Erwärmung leiden.

Noch extremer sieht es jedoch für die Arktis aus: Der hohe Norden hat die Zwei-Grad-Marke längst überschritten. Dies geschah im Jahr 2000, als die globale Erwärmung gerade einmal bei 0,6 Grad lag, wie die Forscher errechneten. Entsprechend stärker reagiert die Arktis auch auf jede weitere Erwärmung: Heizt sich der Globus insgesamt um zwei Grad auf, dann steigen die Werte in der im Norden um sechs Grad – mit entsprechenden Folgen für die Gletscher und Ökosysteme dieser Region.

Motivation zu mehr Klimaschutz

Nach Ansicht der Forscher ist das Wissen um diese regionalen Unterschiede besonders für Politiker und andere Entscheider im Klimaschutz wichtig. Denn das mache die Klimaschutzziele weniger abstrakt und verdeutliche die Folgen für die einzelnen Länder. Das könnte bei künftigen Verhandlungen helfen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Globalisierung starke Klimafolgen in einem Land sich auch auf viele andere auswirken kann – auch das erhöht die Motivation zum Klimaschutz.

Jedermann könne mithilfe dieser Berechnungen selbst ermitteln, wie sich die Zwei-Grad-Erwärmung auf seine Region auswirke, sagt Seneviratne. Damit böten sie eine ganz konkrete Hilfe für Politiker, Entscheidungsträger aber auch Laien, die Landwirtschaft oder den Tourismus. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature16542)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)/ Nature, 21.01.2016 – NPO)

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