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Biotechnologie

Dollys „Vater“ für „Jahrhundert-Experiment“ ausgezeichnet

Ian Wilmut erhält höchsten deutschen Medizin-Preis

Klonschaf Dolly © Roslin Institute

Der „Vater“ des Klonschafs Dolly, der Physiologe Ian Wilmut vom Roslin-Institut in Großbritannien erhält einen der höchsten Medizin-Preise Deutschlands, den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2005. Ausgezeichnet werden sollen damit seine bahnbrechenden Experimente, die zum Klonen des ersten Säugetiers aus einer adulten Zelle führten.

In der Begründung der Paul Ehrlich-Stiftung heißt es: „Professor Ian Wilmut und sein Forschungsteam haben im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit einen Zellkern aus vollständig differenzierten Zellen in zuvor entkernte, unbefruchtete Eizellen eines Schafs übertragen. Sie haben dadurch eine totipotente Stammzelle gewonnen, die nach dem Einpflanzen in ein konditioniertes weibliches Schaf einen Embryo hervorbrachte, der sich in ein normales Schaf entwickelte. Diese wissenschaftlichen Versuche haben die Visionen in der Embryologie grundlegend verändert. Neue Grenzen in der Tierzucht und in der Humanmedizin werden die Folge sein. Es steht auch für Wilmut außer Zweifel, dass das reproduktive Klonen beim Menschen verboten sein sollte.“

Die Auszeichnung, die am 14. März 2005 in der Frankfurter Paulskirche verliehen wird, gehört zu den höchsten und international renommiertesten Preisen, die in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden.

Nachweis der Totipotenz von adulten Zellen

Bis zur Geburt von Dolly war allen erfolgreichen Klonierungen von Säugern eines gemeinsam: Die Spenderkerne stammten aus sehr frühen Embryonen. Dies hat einen einfachen Grund: Zwar verfügen bis auf wenige Ausnahmen alle Zellen eines erwachsenen Organismus über die komplette Erbinformation; doch die meisten Gene sind abgeschaltet, denn die Zelle benutzt nur die Gene, die für die Spezialaufgabe des jeweiligen Gewebes im Körper nötig sind. Einer derart ausdifferenzierten Zelle wieder die Totipotenz ihrer embryonalen Vorläuferzelle zu verleihen, ist Ian Wilmut und seinen Kollegen bei Dolly gelungen.

Die Wissenschaftler entkernten eine Eizelle und transplantierten darin den Kern einer Euterzelle, die aus einem trächtigen Schafs stammte.

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Das Plasma der entkernten Eizelle programmierte dann das implantierte Genom so um, dass es wieder totipotent wurde, das heißt, alle Gene waren wieder aktiv. Der sich im Reagenzglas entwickelnde Embryo wurde nach sechs Tagen einer Leihmutter implantiert, die zu einer anderen Art als der Kernspender gehörte. So wurde sichergestellt, dass das schließlich geborene Lamm schon äußerlich erkennen ließ, dass es mit dem Tier, das es ausgetragen hate, nicht verwandt war. Analysen der Erbsubstanz, der DNA, bestätigten dieses Ergebnis.

Dolly: Eines von 400

Der für dieses Experiment betriebene Aufwand war beträchtlich: Über 400 Eizellen, von hormonell stimulierten Schafen entnommen, wurden manuell entkernt, mit „Spenderkernen“ versehen und 277 so entstandene Embryonen in vorläufige Leihmütter eingesetzt. Nur 29 dieser Embryonen befanden sich eine Woche später im physiologisch erwarteten Entwicklungsstadium und konnten in insgesamt 13 endgültige Leihmütter verpflanzt werden. Am Ende wurde ein einziges gesundes Lamm geboren – Dolly. Sechs Jahre später, am 10. April 2003, musste das Schaf wegen einer Lungenkrankheit, die eigentlich nur bei älteren Tieren auftritt, eingeschläfert werden. Ob sein früher Tod mit seinem Ursprung als Klon-Schaf zusammenhing, ist unklar.

Dolly war das Ergebnis eines erfolgreichen Experiments, das eine Vielzahl wissenschaftlicher Fragen neu aufwarf: Welche Faktoren steuern die Zelldifferenzierung während der Embryonalentwicklung? Wie kann diese Differenzierung unter bestimmten Umständen wieder aufgehoben werden?

Diese Fragen sind insbesondere für die Krebsforschung hochinteressant, da Tumorgewebe dadurch gekennzeichnet ist, dass es von seinem ursprünglichen genetischen Programm abweicht und teilweise embryonale Eigenschaften, zum Beispiel die Teilungsfähigkeit, zurückerlangt.

„Damit war Dolly für die Grundlagenforschung ein sehr bedeutender Durchbruch, vor allem für die künftige Stammzellbiologie“, so Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Leiter des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg, und Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung.

(Universität Frankfurt (Main), 24.11.2004 – NPO)

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