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Geowissen

Erdmagnetfeld bleibt vorerst stabil

Sinkende Feldstärke liegt noch um das Doppelte über dem historischen Durchschnitt

Schwächelt das Erdmagnetfeld, können Polarlichter bis fast zum Äquator reichen - doch vorerst ist es nicht so weit. © Huapei Wang // NASA Earth Observatory/NOAA/DOD

Forscher geben Entwarnung: Vorerst ist wohl keine Umpolung des Erdmagnetfelds in Sicht. Denn das Magnetfeld ist trotz sinkender Feldstärke noch doppelt so stark wie im Durchschnitt der letzten fünf Millionen Jahre, wie die Wissenschaftler festgestellt haben. Wann der Magnetdynamo der Erde tatsächlich schwächelt und sich sogar umkehrt, lässt sich unmöglich vorhersagen, schreiben die Forscher im Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Ein Kompass zeigt zuverlässig auf den magnetischen Nordpol, immer entlang der Feldlinien des Magnetfelds der Erde. So eindeutig funktionierte dieses Prinzip jedoch nicht während der gesamten Erdgeschichte: Schon mehrfach änderte das Magnetfeld seine Polarität, der Nordpol wurde zum Südpol und umgekehrt. Die Ursachen für diesen Wechsel sind noch nicht gänzlich aufgeklärt, mögliche Störfaktoren sind aber geologische Anomalien, welche die Konvektionsströme im Erdmantel beeinflussen.

Magnetfeldwechsel überfällig?

Die Ursachen zu finden, ist auch deshalb schwierig, weil die Umpolungsereignisse keinem erkenbaren Muster folgen: „Manchmal passiert 40 Millionen Jahre lang kein Wechsel. Zu anderen Zeiten gibt es zehn Wechsel in einer Million Jahre“, sagt Huapei Wang vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Im Schnitt dauert es zwischen zwei Wechseln ein paar hunderttausend Jahre. Der letzte war vor etwa 780.000 Jahren, der nächste Wechsel ist also eigentlich überfällig.“

Diese ausstehende Umpolung zeichnete sich bereits ab: In den letzten 200 Jahren hat die Feldstärke des Erdmagnetfelds kontinuierlich abgenommen. Einige Wissenschaftler schätzten, dass es bei der gegenwärtigen Rate in etwa 2.000 Jahren soweit sein müsste. In dem dann vorrübergehend geschwächten Magnetfeld wäre die Erde dem Sonnenwind fast schutzlos ausgeliefert. Elektronische Geräte könnten ausfallen, und die stärkere Strahlenbelastung könnte zu mehr genetischen Mutationen führen. Polarlichter wären dann fast auf der ganzen Erde sichtbar, aber viel schwächer.

Magnetfeld im Vulkangestein

Doch Wang und Kollegen geben Entwarnung: Ihnen zufolge ist das Magnetfeld der Erde immer noch weit überdurchschnittlich stabil. Hinweise darauf fanden die Forscher in Vulkangestein von den Galapagosinseln und aus der Antarktis. Da die Galapagosinseln praktisch auf dem Äquator liegen, erwarteten die Forscher hier ein halb so starkes Magnetfeld wie an den Polen. Die Wissenschaftler bestimmten zunächst die Magnetisierung des Gesteins und die Orientierung von darin eingeschlossenen magnetischen Partikeln.

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Zum Vergleich erhitzten sie anschließend die Steine und ließen sie in einem Magnetfeld mit bekannter Feldstärke auskühlen. Dann bestimmten sie erneut die Magnetisierung, denn diese ist proportional zur Stärke des Feldes, in dem das Gestein abkühlt. Aus diesen kombinierten Daten erstellten sie ein langfristiges Bild der magnetischen Feldstärke der Erde über die letzten fünf Millionen Jahre. Daraus ermittelten sie auch einen historischen Mittelwert.

Feldlinien des Erdmagnetfelds im Modell. Die Simulation zeigt den Zustand zwischen zwei Umpolungen. © Gary Glatzmaier/ Los Alamos National Laboratory

Auf lange Sicht hatte das Magnetfeld an den Galapagosinseln demnach eine Stärke von etwa 15 Mikrotesla, an den Polen entsprechend 30 Mikrotesla. Die heutigen Werte liegen jedoch doppelt so hoch, mit etwa 30 Mikrotesla am Äquator und 60 Mikrotesla an den Polen. „Das bedeutet, der Wert von heute ist außergewöhnlich hoch“, sagt Wang, „und selbst wenn er sinkt, fällt er in Richtung Durchschnitt, nicht vom Durchschnitt in Richtung Null.“

Vorhersage unmöglich

Doch woher stammen dann die früheren Prognosen, die ein schwächelndes Magnetfeld und einen baldigen Wechsel vorhersahen? Wang zufolge basieren diese Annahmen auf unvollständigen oder fehlinterpretierten Daten. So sei die aktuelle Studie die erste, die auch Gesteine aus Äquatornähe berücksichtigt, wo das Magnetfeld tatsächlich am schwächsten ist.

Außerdem hätte sich ein Interpretationsfehler eingeschlichen: In größeren magnetischen Partikeln im Gestein entwickelt sich das Magnetfeld weniger einheitlich als in kleinen Körnchen und fällt dadurch insgesamt schwächer aus. Bisherige Methoden hatten diesen Effekt nicht berücksichtigt. Die von Wang und seinen Kollegen entwickelte Korrekturmethode für diesen Fehler zeige nun einen verlässlicheren Wert für das Erdmagnetfeld in der Vergangenheit.

Wann die nächste Umpolung stattfindet, lässt sich jedoch immer noch nicht vorhersagen. Der nächste kritische Punkt ist der ungefähre Durchschnitt, den das Feld unter derzeitigen Bedingungen in etwa tausend Jahren erreichen wird. „Von dort könnte die Feldstärke auch wieder ansteigen“, meint Wang. „Es lässt sich auf wirklich keine Weise vorhersagen, was danach passiert, wenn man die zufällige Natur des magnetohydrodynamischen Prozesses im Geodynamo betrachtet.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1505450112)

(Massachusetts Institute of Technology, 25.11.2015 – AKR)

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