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Umwelt

Ostsee: Schiffe als Nanopartikel-Schleudern

Schiffsverkehr verdoppelt die Belastung der Luft mit Nano-Feinstaub über der Ostsee

Adam Kristensson bei der Partikelmessung an der Ostseeküste © Lund University

Nanopartikel aus dem Schiffs-Auspuff: Dass gerade große Schiffe ziemliche Dreckschleudern sind, ist nicht neu. Doch wie sich jetzt zeigt, sorgt der Schiffsverkehr auf der Ostsee auch für eine erheblich höhere Luftbelastung mit Nanopartikeln als bisher angenommen. Die Hälfte solcher feinen Schwebstoffe über der Ostsee stammt aus den Auspuffen der Schiffe, wie Forscher im Fachmagazin „Oceanologia“ berichten.

Feinstaub und Nanopartikel der Luft sind gleich in mehrerer Hinsicht gesundheitsschädlich: Sie dringen in Zellen der Atemwege und Lungen ein und können COPD und Lungenkrebs verursachen, gleichzeitig schädigen sie die Blutgefäße und fördern Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Erst kürzlich schätzten Forscher, dass allein der Feinstaub weltweit jedes Jahr für drei Millionen Todesfälle verantwortlich ist. Hauptquellen des Feinstaubs sind bei uns vor allem Dieselruß und Benzin-Abgase des Straßenverkehrs.

Luftmessung über der Ostsee

Ruß und Nanopartikel werden aber auch von den Motoren der Frachter und Passagierschiffe freigesetzt. Gerade mit Schweröl laufende Schiffsmotoren setzen besonders viele dieser potenziell schädlichen Schwebstoffe frei. Dennoch hielt man bisher den Anteil dieser Schiffs-Abgase an den Nano-Schwebstoffen über der Ostsee für eher gering: „Wir dachten bisher, dass die von Land eingewehte Luftverschmutzung und die natürlichen Schwebpartikel von der Meeresoberfläche den größten Anteil ausmachen“, erklärt Koautor Adam Kristensson von der Lund Universität.

Um dies zu überprüfen, führten Kristensson und seine Kollegen zehn Monate lang Luftmessungen an der Ostsee durch. Dabei verglichen sie die Menge der Nanopartikel in der Luft, die von der Südküste Schwedens und Finnlands auf das Meer hinaus geweht wird, mit der Luft, die in Litauen an der Küste ankommt. Da der vorherrschende Wind aus Nordwesten wehte, ließ sich so feststellen, wie viel Luftverschmutzung bei der Passage der Luft über das Meer dazu kommt.

Nanopartiel aus dem Schiffs-Auspuff: Adam Kristensson erklärt die Ergebnisse.© Lund University

Nanopartikel-Belastung verdoppelt

Das Ergebnis: „Zu allen Jahreszeiten und auf beiden Routen war die Menge der Aerosolpartikel an der windwärts gelegenen Station um das Eineinhalb bis Zweifache höher“, berichten die Forscher. Da Meeresgischt und andere natürliche Prozesse nicht so Schwebstoffe erzeugen können, bleibt ihrer Ansicht nach nur eine Quelle übrig: „Die plausibelste Quelle dieser erhöhten Belastung der Luft mit Nanopartikeln ist der Schiffsverkehr“, konstatieren die Wissenschaftler.

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Die Größenverteilung der Nanopartikel passt demnach sehr gut zu den typischen Schiffsabgasen und ihren Folgeprodukten. Die von den Forschern analysierten Luftmassen wehten zudem über einige der am stärksten befahrenen Gebiete der Ostsee hinweg. Allein das Kattegat wurde im Jahr 2009 mehr als 60.000 Mal durchfahren, wie sie berichten.

„Strengere Regelungen sind nötig“

„Ich war überrascht, dass der Schiffsverkehr so viel zu den Nanopartikel-Emissionen über der Ostsee beiträgt“, sagt Kristensson. Wie er berichtet, machen die Nanopartikel damit fast die Hälfte der gesamten Luftbelastung durch solche feinen Teilchen aus – und damit mehr als die vom Land eingewehten Abgase aus Verkehr und Industrien.

Kristensson schätzt, dass allein die Partikel-Emissionen des Schiffsverkehrs auf Nord- und Ostsee zu 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr beitragen könnten, wenn auch diese Schätzung noch sehr vorläufig und ungenau ist, wie er betont. Hier sei es wichtig, weitere Analysen durchzuführen. Dennoch befürwortet der Forscher strengere Abgasvorschriften für den Schiffsverkehr. „Es ist wichtig, die Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen der Schiffsabgase und für den Sulfatgehalt der Treibstoffe weiter zu senken“, sagt Kristensson.

In diesem Jahr wurde für Nord- und Ostsee bereits eine neue Regelung eingeführt, die den Sulfatgehalt im Schiffstreibstoff auf 0,1 Prozent begrenzt. „Wir müssen nun schauen, welche positiven Effekte dies bringen wird.“ (Oceanologia, 2015; doi: 10.1016/j.oceano.2015.08.001)

(Lund University, 20.11.2015 – NPO)

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