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Zoologie

Spinnen: Genitalverstümmelung sichert Vaterschaft

Männchen verhindern Konkurrenz, indem sie die Paarungsorgane der Partnerin abzwicken

Radnetzspinne der Art Larinia jeskovi © Gabriele Uhl

Rabiate Fortpflanzung: Die Männchen einer Radnetzspinnenart verstümmeln nach der Paarung die Genitalien ihrer Partnerin. So verhindern sie, dass das Weibchen sich anschließend mit anderen Männchen paaren kann und stellen ihre eigene Vaterschaft der Nachkommen sicher. Da diese Sicherungmaßnahme so hocheffektiv ist, konnte sie sich in der Evolution gut durchsetzen, meinen Forscher im Magazin „Current Biology“: Genitalverstümmelung kommt offenbar bei viel mehr Spinnenarten vor, als gedacht.

Spinnen sind für ihr mitunter bizarres Paarungsverhalten bekannt: Die Weibchen einiger Spinnenarten, wie der Schwarzen Witwe, stehen in dem Ruf, ihre Verehrer nach erfolgter Paarung aufzufressen. Um dieses Schicksal zu vermeiden, haben die Männchen verschiedene Techniken entwickelt: Beruhigende Vibrationen am Netz der Angebeteten oder ein hübsch verpacktes Brautgeschenk können die Spinnenweibchen lange genug besänftigen, dass das Männchen danach wieder verschwinden kann. Aber auch die Männchen selbst geben manchmal ihrem Hunger nach und betrachten das Weibchen als Beute statt als Partnerin.

Riskante Paarung erfordert Sicherungsmaßnahmen

Da die Paarung unter Spinnen so riskant ist, erhöhen die Männchen dabei auch ihre Erfolgschancen nach Kräften: Paart sich ein Weibchen später mit weiteren Männchen, sinken die Chancen des ersten Partners. Spinnenweibchen können nämlich Spermien verschiedener Männchen in sogenannten Spermatheken auch über längere Zeiträume einlagern, und manchmal entfernen sie auch die Spermien früherer Partner wieder. Darum reißen die Männchen zum Beispiel die nach Paarungshormonen duftenden Netze der Weibchen ein oder verstopfen die Geschlechtsöffnung des Weibchens mit einem klebrigen Sekret.

Einige Spinnenmännchen nehmen sogar besonders hohe Kosten in Kauf: Sie lassen einen Teil ihres eigenen, durchaus empfindsamen Paarungsorgans in der Öffnung des Weibchens stecken und blockieren sie dadurch effektiv. Allerdings sterilisieren die Männchen damit auch sich selbst und nehmen sich jede weitere Gelegenheit zur Fortpflanzung.

Keine Paarung ohne Haken

Aus Sicht der Männchen noch effektiver ist darum eine rabiate Methode, die Forscher um Pierick Mouginot von der Universität Greifswald nun bei der Radnetzspinne Larinia jeskovi entdeckt haben: Deren Männchen verstümmeln nicht ihre eigenen Genitalien, sondern die ihrer Partnerin. Mit Hilfe ihrer eigenen Paarungsorgane zwicken sie eine äußere Struktur der weiblichen Genitalregion ab, den sogenannten Scapus. Damit verhaken sich die Weibchen während der Paarung mit dem männlichen Organ – ohne diesen Kontakt können sich die Spinnen nicht paaren.

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Radnetzspinne Larinia jeskovi am Morgen im Biebrza Nationalpark in Polen © Pierick Mouginot

Die Forscher fanden diese Genitalverstümmelung unter Spinnen heraus, indem sie Spinnenpaare während der nur wenige Sekunden dauernden Kopulation mit flüssigen Stickstoff einfroren. Mit einem hochauflösenden Röntgen-Computertomografen scannten sie die Paare und rekonstruierten sie anschließend.

Verstümmelung ist kein Einzelfall

Freiland-Untersuchungen in den Sümpfen des polnischen Biebrza Nationalparks zeigten, dass das Phänomen keineswegs nur in Einzelfällen auftritt: Am Ende der Paarungssaison fehlte der Scapus bei allen gefundenen Weibchen der Art Larinia jeskovi. Hinweise auf solche äußere Genitalverstümmelung fanden die Forscher auch bei 80 weiteren Spinnenarten.

Die Forscher vermuten, dass der Kopplungsmechanismus diese Strategie zur Vaterschaftssicherung in der Evolution begünstigt: Sie ist für die Männchen einfach, aber hochwirksam. Zur Zeit untersuchen die Forscher, welche Kosten den Weibchen durch diese Verstümmelung entstehen. Es sei ebenfalls denkbar, dass aufgrund dieser Studie weitere Tiergruppen entdeckt werden, bei denen äußere Genitalverstümmelung bisher unbemerkt vorkommt, so die Wissenschaftler. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.09.074)

(Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 09.11.2015 – AKR)

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