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Geowissen

Rätsel um mysteriösen Mondberg

Zwei einzigartige Szenarien könnten Erhebung mitten in der Einschlagssenke erklären

Topografische Karte der Mondoberfläche, unten in der Mitte in Rot der rätselhafte Mondberg. © NASA/GSFC/ MIT/ Brown University

Ein Berg auf der Rückseite des Mondes gibt Forschern Rätsel auf. Denn er unterscheidet sich chemisch von seiner gesamten Umgebung und sitzt mitten im gigantischen Einschlagskrater des Southpole-Aitken-Beckens. Wissenschaftler haben nun zwei mögliche Szenarien ermittelt, die einen solchen Sonderling erzeugen könnten – und beide wären für den Mond absolut einzigartig.

Obwohl der Mond unser nächster Nachbar ist, hat er immer wieder Überraschungen zu bieten. So entdeckten Forscher erst vor kurzem rätselhafte Mareflecken und erstaunlich junge Vulkane auf seiner Rückseite. Langgezogene Wölbungen deuten zudem darauf hin, dass es Lavahöhlen auf dem Erdtrabanten geben könnte – und damit ideale Orte für eine Mondstation.

Mysteriöser Hügel

Eine seltsame Formation auf der Rückseite des Mondes sorgt nun erneut für Rätselraten. Es handelt sich um einen rund 800 Meter hohen und 75 Kilometer großen „Buckel“ mitten im riesigen South Pole-Aitken-Becken. Diese sogenannten mafischen Hügel werden von einer kreisförmigen Senke gekrönt und an den Seiten gehen asymmetrische Berghänge in die Ebene hinab.

Das Spannende an diesem Hügel: Seine mineralische Zusammensetzung unterscheidet sich eklatant von der seiner Umgebung, wie neue Daten der Raumsonde Chandrayaan-1 belegen. Während der Untergrund im Southpole-Aitken-Becken sonst sehr calciumarm ist, besteht der seltsame „Buckel“ aus Pyroxen und Olivin mit einem hohen Calcium-Anteil. Wie die Forscher erklären, kann es sich daher nicht um einen einfachen Berg oder simplen Vulkan handeln.

Umriss der "mafic mounds" im Soutpole-Aitken-Becken © NASA/GSFC/ MIT/Brown University

Zwei Szenarien – ein Auslöser

„Diese ungewöhnliche Struktur genau im Zentrum des Beckens wirft die Frage auf: Was ist dieses Ding und wie kam es dorthin?“, sagt Erstautor Daniel Moriarty von der Brown University. Um das zu klären, haben er und seine Kollegen anhand aller verfügbaren Daten zu den „mafic mounds“ und mit Hilfe von Modellsimulationen verschiedene Szenarien untersucht, die einen solchen Berg mitten in der Einschlagssenke hervorbringen könnten.

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Ihr Ergebnis: Im Prinzip kommen nur zwei Bildungsarten in Frage- und beide wären für den Mond extrem ungewöhnlich und einzigartig. Auslöser beider Prozesse muss demnach der gewaltige Einschlag gewesen sein, der das 2.200 Kilometer große Southpole-Aitken-Becken schuf. „Dies ist die größte bekannte Einschlagsstruktur im gesamten Sonnensystem, sie hat viele Aspekte der Mondevolution beeinflusst“, erklärt Moriarty. Der gewaltige Impakt schmolz und verdampfte Gestein bis in 200 Kilometer Tiefe und riss einen brodelnden Kessel glutflüssiger Lava auf.

Nicht zu übersehen: Die blaue Färbung markiert das Southpole-Aitken Becken auf dem Mond. © NASA

Lava mit Zahnpasta-Effekt

An diesem Punkt setzt das erste Szenario ein: Als die Lava im Einschlagskrater allmählich erkaltete, zog sich ihre Oberfläche zusammen. In der Mitte jedoch riss diese bereits erstarrte Decke auf und wie Zahnpasta aus einer Tube quoll dort noch flüssige Lava aus dem lunaren Mantel hervor. Die Modelle sprechen dafür, dass diese nachträglich herausgedrückte Lava im Gegensatz zur Oberfläche calciumreich gewesen sein muss, wie die Forscher erklären.

Denkbar wäre aber auch eine zweite Variante: Nach diesem Szenario schmilzt der Einschlag ebenfalls Teile des lunaren Mantels auf, schleudert aber gleichzeitig Tonnen von Material aus dem Becken hinaus. Weil dadurch das zuvor auflastende Gewicht wegfällt, kann das darunter liegende Material im Zentrum der Einschlagssenke zurückfedern. Diese schnelle Bewegung lässt geschmolzenes Mantelgestein im Zentrum hochschnellen und bildet so die mafischen Hügel. Die umgebende Oberfläche wird dagegen vom langsam erstarrenden Krustengestein dominiert.

„Absolut einzigartig“

Welches der beiden Szenarien sich tatsächlich abgespielt hat, ist noch unklar. Klar ist aber, dass jedes von beiden absolut einzigartig für den Mond wäre. „Wenn diese Szenarien korrekt sind, repräsentieren sie einen völlig neuen vulkanischen Prozess, der so noch nie gesehen wurde“, sagt Moriarty. Denn eine solche Form eines Mare- unabhängigen Vulkanismus habe man bisher auf dem Mond noch nicht gefunden.

Endgültig klären könnte die Frage nach dem Ursprung des rätselhaften Mond-„Buckels“ eine Mondmission, die Gesteinsproben zurück zur Erde bringt. Die genaueren Analysen im Labor würden dann auch das Rätsel lösen, wann das Southpole-Aitken-Becken überhaupt entstand und welches Objekt ihn schuf. (Geophysical Research Letters, 2015; doi: 10.1002/2015GL065718)

(Brown University / American Geophysical Union, 16.10.2015 – NPO)

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