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Biologie

Rätsel um Seeigel-Stacheln gelöst

Alte Stacheln als Schablone für Kristallstruktur

Seeigel © NOAA

Die harten, spröden Stacheln des Seeigels sind ein technisches Wunder. Von der Basis bis hin zur nadelscharfen Spitze bestehen sie aus einem einzigen Kristall, das innerhalb von wenigen Tagen nachwächst, wenn er abbricht. Jetzt haben Wissenschaftler des Weizmann Instituts zeigen können, wie die Seeigel dies schaffen.

Während viele Kristalle aus Atom- oder Molekülbestandteilen entstehen, die sich in Flüssigkeit auflösen, wobei Zucker und Salz hier die bekanntesten Beispiele darstellen, hat das Forschungsteam der Professoren Lia Addadi und Steve Weiner von der Abteilung für Strukturbiologie herausgefunden, dass der Seeigel eine andere Strategie benutzt. Das Material der Stacheln wird erst in einer nicht-kristallinen Form gesammelt, genannt Amorphous Calcium Carbonat (ACC).

Anhäufungen von ACC werden um die Basis des gebrochenen Stachels herum aus den Zellen heraus bis hin zu dem abgebrochenen Ende geschoben. Innerhalb weniger Stunden nach Ankunft an dieser Stelle verwandelt sich das amorphe Material, dass aus eng aneinander gepackten aber ungeordneten Molekülen besteht, in einen Kalzit-Kristall, in dem sich die Moleküle in gleichmäßigen Gitterformationen aufreihen.

Mikroskopische Nadeln

In Zusammenarbeit mit der Studentin Yael Politi und Eugenia Klein und Talmon Arad von der Chemischen Forschungseinheit benutzte das Forschungsteam vier verschiedene Methoden der Untersuchung, einschließlich zweier Arten von Elektronmikroskopen, um zu beobachten wie das ACC abgelagert wird und sich in ein Kristall verwandelt. „Die Frage ist“, sagte Weiner, „warum es eigentlich so schwierig ist, einen Prozess zu beobachten, der so grundlegend zu sein scheint. Wissenschaftler haben es mehr als einhundert Jahre lang studiert und Tatsache ist, dass wir neue Methoden entwickeln mussten, um das ACC in seiner kurzen Phase der Entstehung zu erfassen.“

Nachwachsender Stachel © Weizmann Institut

Die erfassten Bilder zeigen mikroskopische Nadeln auf, die zuerst gerade aus dem Stumpf des alten Stachels herauswachsen und sich erst danach in einer verzweigten Gitterstruktur formieren, die sowohl hart als auch leicht ist. Die kristalline Struktur des alten Stachels stellt eine Art Schablone für die Aneinanderreihung der Moleküle in den Kristallen dar und gibt das komplizierte, genaue Muster des nachwachsenden Stachels vor.

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Obwohl vorherige Studien des Weizmann-Gruppe gezeigt haben, dass junge Seeigel und Mollusken im Larvenstadium ebenfalls diese Strategie benutzen, um interne Skelette zu bilden, so ist es doch das erste Mal, dass der Prozess bei ausgewachsenen Seetieren beobachtet wurde. Dass Larven und ausgewachsene Tiere die gleiche Methoden benutzen, ist keineswegs selbstverständlich, denn ihr Lebensstil ist sehr verschieden und kann unterschiedliche biologische Prozesse bewirken. So ist die winzige Seeigellarve durchsichtig und schwimmt herum, während der ausgewachsene runde, stachelige Seeigel am Meeresboden lebt.

Grundlegende Strategie entdeckt

Da aber beide gleich vorgehen, glauben Addadi und Weiner, dass es sich hierbei um eine grundlegende Strategie handelt, die nicht nur von den nahen Verwandten des Seeigels wie etwa dem Seestern benutzt wird, sondern auch von einer breiten Bandweite stacheliger und muschelartiger Meereslebewesen wie beispielsweise Mollusken und Korallen.

Darüber hinaus könnte sich die Idee, ein einziges Kristall heranwachsen zu lassen, nachdem erst einmal das Material in einer amorphen Phase produziert wird, als sehr hilfreich für Wissenschaftler und Ingenieure erweisen, die mit Materialien arbeiten und komplexe synthetische Materialien produzieren und formen wollen, die die Eigenschaften eines einzigen Kristalls besitzen.

(idw – Weizmann Institut, 22.11.2004 – DLO)

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