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Geowissen

Flusskiesel auf dem Mars

Strömung eines marsianischen Flusses riss einst Felsbrocken 50 Kilometer weit mit

Aufnahme von gerundeten Kieseln (links) im Gale Krater auf dem Mars © NASA/JPL-Caltech/ MSSS

Die Kieselsteine verraten es: Im Gale-Krater auf dem Mars riss einst ein Fluss Gesteinsbrocken bis zu 50 Kilometer weit mit sich. Das schließen Forscher aus der Rundung der vom Marsrover Curiosity fotografierten Basaltkiesel. Das Spannende daran: Ihr Modell verrät allein anhand der Form der Kiesel, wie weit sie einst transportiert wurden – und das sowohl auf dem Mars, als auch auf der Erde oder anderen Planeten, wie sie im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Dass es auf dem Mars einst Flüsse, Seen und vielleicht sogar einen Ozean gab, ist nichts Neues. Daten der Marssonden und Marsrover haben in den letzten Jahren schon viele Indizien dafür geliefert. Und erst vor Kurzem stießen Forscher auf Hinweise darauf, dass sogar heute noch ab und zu flüssiges Wasser fließt – wenn auch nur in geringen Mengen.

Wie viel Wasser allerdings einst wirklich in den marsianischen Flüssen strömte, ist bisher umstritten. Einige Schluchten könnten statt durch Wasser auch durch Lava entstanden sein und die 2012 vom Marsrover Curiosity entdeckten gerundeten Geröllsteine im Gale Krater könnte auch vom Wind umhergeschoben worden sein – meinen jedenfalls einige. Auch wie weit diese Kiesel mitgerissen wurden, blieb bisher unklar.

Form verrät Geschichte

Douglas Jerolmack von der University of Pennsylvania in Philadelphia und seine Kollegen haben sich daher die marsianischen Flusskiesel und ihre Entstehungsweise genauer angeschaut. „Schon Aristoteles fragte sich vor gut zweitausend Jahren, wie die Kiesel auf einem Strand so und wurden“, sagt Jerolmack. „Doch bis vor kurzem waren alle Beschreibungen der Kieselform rein qualitativ – uns fehlte das grundlegende Verständnis des Abrundungsprozesses.“

Typische Kiesel: Je runder sie sind, desto länger wurden sie schon im Wasser hin- und hergeworfen. © gemeinfrei

Das hat sich nun geändert: Die Forscher haben in mehreren Experimenten und Simulationen die Physik hinter der Bildung der typischen Kieselform enträtselt. Ihr Modell liefert damit nun erstmals eine Methode, um allein anhand der Form eines Flusskiesels herauszufinden, wie viel Material er durch Kollisionen mit anderen Steinen verlor und weit er einst transportiert wurde. Der Clou daran: Ihr Modell funktioniert sowohl auf der Erde als auch auf dem Mars oder anderen Planeten und Monden.

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Steine in der Waschtrommel

Steine, die vom Wasser in einem Fluss umhergewirbelt werden, verlieren im Laufe der Zeit ihre scharfen Kanten und damit einen Teil ihres Materials, weil sie ständig mit anderen Steinen zusammenstoßen. Um dies zu simulieren, gaben die Forscher in einem ersten Versuch 80 Kalksteinbrocken verschiedener Größe in einer Art überdimensionaler Waschtrommel und ließen diese rotieren. In regelmäßigen Abständen entnahmen sie einige Steine und prüften, wie sich deren Form und Größe verändert hatte.

Zusätzlich sammelten Jerolmack und seine Kollegen Kieselsteine aus verschiedenen Stellen an einem Bergfluss in Puerto Rico. Auch hier verglichen sie, wie viel Material die Steine im Laufe ihres Weges den Fluss hinab verloren. Ihr erstes Fazit: „Die Entwicklung der Form passt gut zu den Experimenten im Labor, trotz der großen Unterschiede zwischen der Trommel und dem Fluss“, so die Forscher. Als Drittes analysierten die Wissenschaftler noch Steine aus einem ausgetrockneten Canyon in New Mexico.

Blick auf den Gale Krater, rot markiert ist die Landezone des Curiosity-Rovers © NASA/JPL-Caltech/ ESA/DLR/ FU Berlin/MSSS

Nur eine Frage der Geometrie

Wie die Forscher entdeckten, lassen sich die Veränderungen der Kiesel durch die Flusserosion in einem erstaunlich simplen geometrischen Modell zusammenfassen. „Das erste Prinzip ist, dass die Partikel unabhängig vom konkreten Prozesse die gleiche Form entwickeln“, erklären sie. „Der zweite ist, dass der Masseverlust der Kiesel einer einzigen Kurve folgt.“ Das aber bedeutet, dass man allein aus der Form eines Flusskiesels herauslesen kann, wie lange dieser Stein vom Wasser mitgetragen wurde.

Das Spannende daran: Als die Wissenschaftler ihr Modell auf Aufnahmen von Mars-Kieseln anwendeten, passten auch diese Steine ins Bild, wenn man das Modell an das Steinmaterial und die geringere Schwerkraft auf dem Roten Planeten anpasste. Die vom Marsrover Curiosity fotografierten runden Steinchen hatten Formen, die nicht nur ihren irdischen Gegenparts glichen. Sie stimmten auch perfekt mit bestimmten Stadien im neuen Evolutionsmodell für Flusskiesel überein.

50 Kilometer weit mitgerissen

Die Auswertung für die Mars-Kiesel ergab: Sie müssen im Laufe ihres Transports rund 20 Prozent ihres Volumens verloren haben. „Die Entfernung vom Fundort zum Nordrand des Gale-Kraters und der Mündung eines dortigen Flussdeltas beträgt rund 30 Kilometer“, berichten Jerolmack und seine Kollegen. Ihren Berechnungen nach könnten die Mars-Kiesel mindestens so weit vom Wasser transportiert worden sein, wahrscheinlich sogar 50 Kilometer weit.

Das bestätigt nicht nur, dass es auf dem Mars einst echte Flüsse mit fluvialem Transport gab. Es hilft auch dabei, die früheren Umweltbedingungen auf dem Roten Planeten zu rekonstruieren. „Wir haben damit ein neues Werkzeug, mit dem wir urzeitliche Bedingungen auf Erde, Mars und anderen planetaren Körpern wie dem Saturnmond Titan indirekt erforschen können“, so Jerolmack. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms9366)

(University of Pennsylvania, 14.10.2015 – NPO)

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