Anzeige
Medizin

Erste Niere aus Stammzellen

Forscher züchten eine Protoniere direkt aus induzierten Stammzellen

Ein Teil der aus induzierten Stammzellen gezüchteten Protoniere. Die verschiedenen Farben repräsentieren verschiedene Zelltypen und Strukturen. © Fabian Fromling und Minoru Takasato

Organ aus dem Reagenzglas: Forschern ist es erstmals gelungen, eine Nierenvorstufe direkt aus induzierten Stammzellen zu züchten. Das Organoid enthält bereits die typischen Nierenkanälchen und ähnelt der Niere eines frühen Embryos. Sogar filtrieren kann die Protoniere bereits, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Damit ist ein wichtiger Schritt hin zu einer transplantierbaren Niere aus dem Labor gelungen.

Die Nieren sind für die Reinigung unseres Blutes lebenswichtig. Funktionieren sie nicht richtig, bleibt nur die Blutwäsche per Dialyse oder die Transplantation. Doch Spenderorgane sind rar und die Dialyse kann die Nierenfunktion nur bedingt ersetzen. Deshalb suchen Forscher schon seit längerem nach Methoden, Nieren im Labor zu züchten. Doch eine Niere ist relativ kompliziert aufgebaut: Sie besteht aus mehr als 20 unterschiedlichen Zelltypen und komplexen Feinstrukturen.

2013 gelang es US-Wissenschaftlern immerhin, eine tote Rattenniere so zu regenerieren, dass aus ihr wieder ein funktionsfähiges Organ wurde. Die so geschaffene Niere nahm tatsächlich ihre Arbeit auf – wenngleich noch mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit. 2012 hatte ein anderes Forscherteam aus embryonalen Nierenzellen eine Art Vorniere mit zwei der wichtigsten Nierenzellentypen gezüchtet.

Von Stammzellen zum Organoid

Bisher jedoch fehlte der entscheidende erste Schritt: die Produktion der Nierenvorläuferzellen aus induzierten Stammzellen – Zellen, die aus adulten Körperzellen wieder in den undifferenzierten Zustand rückversetzt wurden. Dies ist nun Minoru Takasato von der University of Queensland in St. Lucia und seinen Kollegen gelungen. Sie identifizierten erstmals die Wachstumsfaktoren, die pluripotente Stammzellen dazu bringen, sich zu Nierenzell-Vorläufern zu entwickeln. Wie sich zeigte, ist dabei eine zeitlich fein abgestimmte Abfolge von vor allem zwei Chemikalien nötig.

Die im Labor gezüchtete Protoniere ist der eines frühen Embryos ähnlich. © Minoru Takasato

Dieses Wissen nutzten die Forscher, um aus Stammzellen erst die Vorläuferzellen und dann eine Vorniere zu züchten – ein Organoid, in dem es bereits ein Netzwerk aus Nierenkanälchen mit Nephronen gab sowie erste Ansätze von Bindegewebe und Blutgefäß-Vorläufer. „Alle diese Nierenkomponenten entstanden, bildeten Feinstrukturen und reiften heran“, berichten Takasato und seine Kollegen.

Anzeige

Protoniere ist bereits funktionsfähig

Die gezüchteten Organoide und die Genexpression ihrer einzelnen Zelltypen ähnelten damit den Nieren eines Embryos im ersten Trimester der Schwangerschaft. „Jedes Nieren-Organoid erreichte die substanzielle Größe von 500 Nephronen, das entspricht einer Mäuseniere 14,5 Tage nach der Befruchtung der Eizelle“, so die Forscher.

Sogar funktionsfähig war diese Protoniere bereits, wie ein weiteres Experiment belegte. Dafür gaben die Forscher ein fluoreszenzmarkiertes Zuckermolekül in das Kulturgefäß und konnten beobachten, wie die Nierenkanälchen diese Moleküle gezielt aufnahmen. Wurde stattdessen das vor allem auf die Niere wirkende Zellgift Cisplatin verabreicht, starben die Nephronzellen ab. Das zeigt, dass diese für die Blutfilterung zuständigen Zellen das Gift aus der Nährlösung anreicherten und dann daran zugrunde gingen.

„Ein wichtiger Schritt“

Auch wenn dieses Organoid noch keine vollständige Niere ist, es repräsentiert einen weiteren Schritt hin zu funktionstüchtigen Ersatzorganen „aus dem Reagenzglas“. „Noch ist es ein langer Weg bis zu klinisch nützlichen, transplantierbaren Nieren“, betont auch Jamie Davies von der University of Edinburgh in einem begleitenden Kommentar. „Aber das von Takasato und seinen Kollegen entwickelte Protokoll ist ein wertvoller Schritt in die richtige Richtung.“

Und nützlich könnten solche Vornieren schon jetzt sein: Setzt man sie in Medikamententests ein, kann das Tierversuche ersparen. Zudem lassen sich aus gezüchteten Organoiden Ersatzzellen für verschiedenen Zelltherapien gewinnen, wie die Forscher erklären. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15695)

(Nature, 08.10.2015 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

News des Tages

Mittelmeer

Umgekippte Erdplatte im Mittelmeer entdeckt

Wie Urzeit-Mikroben Wasserstoff spalteten

Neue Hoffnung für Voyager 1

Bücher zum Thema

Im Fokus: Genetik - Dem Bauplan des Lebens auf der Spur Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Der zweite Code - Epigenetik - oder wie wir unser Erbgut steuern können von Peter Spork

50 Schlüsselideen Genetik - von Mark Henderson

Die Geschichte der Medizin - Von der Antike bis zur Gegenwart von Bernt Karger-Decker

Top-Clicks der Woche