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Chemie

Wasser „erinnert sich“ länger als gedacht

Lokale Strukturen aus Wassermolekülen bleiben über Pikosekunden stabil

Die Lebensdauer von lokalen Wasserstrukturen lässt sich mit ultrakurzen Laserpulsen bestimmen. © Yuki Nagata / MPI-P

Wasser mit Gedächtnis? Strukturen aus Wassermolekülen in flüssigem Wasser halten bis zu zehnmal länger als bisher gedacht. Allerdings sind diese lokalen Bereiche immer noch extrem flüchtig: Die Wassermoleküle „vergessen“ ihre Nachbarn bereits nach einem Billionstel einer Sekunde, wie Wissenschaftler nun gemessen haben. Dennoch sind diese Strukturen stabil genug, um die lebenswichtigen Eigenschaften des Wassers zu beeinflussen, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Communications“.

Wasser ist ein einzigartig dynamisches Lösungsmittel: Die Wassermoleküle bewegen sich extrem schnell. Gleichzeitig verbinden sie sich aber vorübergehend durch sogenannte Wasserstoff-Brückenbindungen. Diese geben dem Wasser seine herausragenden Eigenschaften – unter anderem, dass es bei Raumtemperatur flüssig bleibt und eine große Menge Wärme speichern kann. „Ein Großteil der chemischen und biologischen Reaktionen findet auf der Erde in Wasser oder an Wassergrenzflächen in Meeren oder Wolken statt“, verdeutlicht Mischa Bonn vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. „Deswegen ist es extrem wichtig, wie sich Wasser dort auf molekularer Ebene verhält.“

Wasser vergisst extrem schnell

Bereits bekannt ist, dass durch die Brückenbindungen zwischen Sauerstoff und Wasserstoff lokale Strukturen aus mehreren zusammenhängenden Wassermolekülen entstehen. Dieses „Gedächtnis des Wassers“ soll etwa für die Wirkung homöopathischer Präparate verantwortlich sein: Die Strukturen der Wassermoleküle könnten in den extrem verdünnten Lösungen die Formen von Wirkstoffen nachbilden, so die Theorie.

Dagegen spricht jedoch, dass diese Strukturen nicht besonders lange halten: Nach bisheriger Ansicht „vergisst“ das Wasser sie schon nach weniger als einem Zehntel einer Pikosekunde. Eine Pikosekunde ist ein Billionstel einer Sekunde, Licht legt in dieser Zeit im Vakuum gerademal 300 Mikrometer zurück.

Bonn und Kollegen haben nun aber im Wasser noch einmal ganz genau nachgemessen: In ultraschnellen Laserexperimenten untersuchten sie die Schwingungen der Sauerstoff-Wasser Bindungen mit Hilfe der Infrarotspektroskopie. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Forscher dabei Molekülen, die nur sehr schwache oder aber sehr starke Bindungen zu ihren jeweiligen Nachbarn eingehen.

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Unerwartet stabile Strukturen

Dabei zeigte sich etwas Unerwartetes: Gerade die schwachen Bindungen halten offenbar besonders lange. Ihre Lebensdauer beträgt den messbaren Schwingungen zufolge bis zu etwa einer Pikosekunde. Damit halten sie rund zehnmal länger als bisher gedacht. Die starken Bindungen sind über etwa ein Fünftel einer Pikosekunde stabil, immer noch doppelt so lang wie der bisher angenommen Wert.

Dabei stehen gerade die schwächeren Bindungen für Interaktionen der Moleküle über größere Abstände. Es existieren also im flüssigen Wasser zusammenhängende Bereiche, die sich im Verlauf einer Pikosekunde von benachbarten Bereichen absetzen und offenbar entscheidend zu den wichtigen Eigenschaften des Wassers beitragen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Wasser auf molekularer Ebene sehr heterogen ist und aus unterschiedlichen lokalen Strukturen besteht, welche höchstwahrscheinlich sehr wichtig sind,“ fasst Studienleiter Bonn zusammen. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms9384)

(Max-Planck-Institut für Polymerforschung, 21.09.2015 – AKR)

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