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Paläontologie

Urzeit-Reptil mit verblüffend modernen Beinen

260 Millionen Jahre alter Pflanzenfresser lief schon mit gestreckten Gliedmaßen

Bunostegos akokanensis war etwa so groß wie eine Kuh und stand auf gestreckten Beinen © Morgan Turner

Ältester „Gerade-Geher“: Paläontologen haben im Niger das Fossil eines ungewöhnlichen Urzeit- Reptils entdeckt. Denn dieser etwa kuhgroße Pflanzenfresser lief nicht auf krummen Beinen wie seine Zeitgenossen und die heutigen Krokodile. Stattdessen hatte er bereits gerade, senkrecht unter dem Körper stehende Gliedmaßen wie eine Kuh oder ein Pferd. Das 260 Millionen Jahre alte Reptil ist damit das früheste bekannte Wirbeltier mit dieser modernen Anatomie.

Als die ersten Wirbeltiere das Land eroberten, war ihr Gang noch wenig elegant: Weil ihre Beine aus Flossen entstanden waren, standen sie nicht senkrecht unter dem Körper, sondern gingen seitlich davon ab. Ähnlich wie noch bei den heutigen Krokodilen knickten die Beine erst im Ellenbogen nach unten ab. Die Folge ist ein eher breitbeiniger, schwerfälliger Gang. Noch bis zum Ende des Perms vor rund 250 Millionen Jahren legten ihn die meisten Vierbeiner auf dem Superkontinent Pangäa an den Tag.

Ungewöhnliche Vorderbeine

Doch Fossilen aus dem Niger belegen nun, dass es auch Ausnahmen gab. Paläontologen hatten dort gleich mehrere Skelette eines bisher unbekannten Pareiasauriden entdeckt. Zu dieser frühen Reptiliengruppe gehörten die größten und schwersten Landtiere jener Zeit. Als Morgan Turner von der Brown University und ihre Kollegen nun die 260 Millionen Jahre alten Knochen genauer untersuchten, fiel ihnen Ungewöhnliches an den Vorderbeinen dieser Fossilien auf.

„Die Anatomie der Vorderbeine unterscheidet sich von allem bisher bekannten aus dieser Zeit“, erklärt Turner. Denn die Knochen und Gelenke deuten darauf hin, dass dieses Bunostegos akokanensis getaufte Urzeit-Reptil nicht mehr breitbeinig watschelte, sondern gerade, direkt unter dem Körper stehende Beine besaß.

Verblüffend moderne Schulter und Ellenbogen

„Die Bestandteile der Vorderbeine erlauben keine breitbeinige Position, das ist einzigartig“, so Turner. So zeigt die Gelenkkapsel der Schulter gerade nach unten statt nach außen. Der Oberschenkel hatte daher nur nach unten hin Spiel und konnte gar nicht zur Seite abstehen, wie die Forscher erklären. Zudem ist der Oberschenkelknochen gerade und nicht verdreht wie bei den breitbeinig laufenden Zeitgenossen dieses Reptils.

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Schulter und Ellenbogen verraten den modernen Gang des Bunostegos © Morgan Turner

Auch der Ellenbogen weicht von dem damals üblichen ab: Die beiden Unterschenkelknochen Radius und Ulna bilden mit dem Oberschenkel ein scharnierartiges Gelenk – ähnlich unserem Knie. Das aber bedeutet, dass Bunostegos seine Unterschenkel nur in der gleichen Ebene wie die Oberschenkel nach vorne und hinten schwingen konnte. Ein krokodilähnlich breitbeiniger Gang wäre mit diesem Gelenk nicht möglich.

„Wie eine Kuh mit Rückenpanzer“

Aus diesen Befunden schließen die Forscher, dass Bunostegos damals bereits gerade, senkrecht unter dem Körper stehende Beine besaß. Er ist damit das früheste bekannte Beispiel für einen solchen „Geradegeher“. Auf Basis der neuen Erkenntnisse haben Turner und seine Kollegen auch das Aussehen dieses Urzeit-Reptils rekonstruiert.

Demnach war Bunostegos etwa so groß wie eine Kuh und ähnlich wie sie wohl auch ein Pflanzenfresser. „Stellen Sie sich ein kuhgroßes, pflanzenfressendes Reptil mit buckeligem Kopf und einem knochigen Schutzpanzer auf dem Rücken vor“, beschreibt Koautorin Linda Tsuji vom Royal Ontario Museum das Tier.

Gerade Beine sind energiesparender

Die Paläontologen vermuten, dass Bunostegos seine geraden Beine in Anpassung an seinen extremen Lebensraum entwickelte. Denn vor rund 260 Millionen Jahren war die Gegend des heutigen Niger eine trockene Wüste. Wasserstellen mit saftigen Pflanzen lagen weit auseinander. Da aber bedeutet, dass das Urzeit-Reptil große Strecken laufen musste, um seinen Hunger und Durst zu stillen.

Der damals übliche breitbeinige Gang mit abgeknickten Beinen war jedoch wenig effektiv und kostete viel Energie. Viel sparsamer ist es, wenn die Beine senkrecht unter dem Körperschwerpunkt stehen und frei schwingen können, wie die Forscher erklären. Daher könnte die Entwicklung des aufgerichteten Ganges für Bunostegos überlebenswichtig gewesen sein.

„Unerwartet und sehr erhellend“

Allerdings halten Turner und ihre Kollegen es für durchaus wahrscheinlich, dass es damals noch andere Wirbeltiere gab, die diesen Wechsel von Anatomie und Gang bereits begonnen oder vollzogen hatten. Denn die Fähigkeit zu diesem gestreckten Gang entstand bei Reptilien und frühen Säugetieren mehrfach unabhängig voneinander.

Die neuen Funde liefern wertvolle neue Informationen über diese Übergänge. „Es gibt viele Komplexitäten in der Evolution von Haltung und Fortbewegung“, sagt Turner. „Die Anatomie von Bunostegos ist unerwartet und sehr erhellend. Sie sagt uns aber auch, dass wir noch viel lernen müssen.“ (Journal of Vertebrate Paleontology, 2015; doi: 10.1080/02724634.2014.994746)

(Brown University, 21.09.2015 – NPO)

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