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Paläontologie

Riesiger Urzeit-Seeskorpion entdeckt

460 Millionen Jahre altes Gliedertier ist der größte Seeskorpion seiner Zeit

So könnte der Seeskorpion Pentecopterus decorahensis ausgesehen haben. Seinen Gattungsnamen erhielt er nach einem antiken grichischen Kriegsschiff. © Patrick Lynch/ Yale University

Gigant der Urmeere: Paläontologen haben in den USA die Fossilien eines riesigen, 460 Millionen Jahre alten Seeskorpions entdeckt. Das räuberische Gliedertier wurde bis zu 1,70 Meter lang und trug vier mit spitzen Klauen besetzte Fangarme am Vorderkörper. Die zuvor unbekannte Art ist der älteste jemals gefundene Seeskorpion und der größte Vertreter dieser Tiergruppe im Ordovizium, wie die Forscher im Fachmagazin “ BMC Evolutionary Biology“ berichten.

Die ersten Herrscher der urzeitlichen Meere waren große, räuberische Gliedertiere. Schon vor gut 500 Millionen Jahren bevölkerten die bis zu 1,20 Meter großen Anomalocariden die Ozeane, urzeitliche Krebsvorfahren siebten Plankton aus dem Wasser und auch der älteste Vorfahre der Spinnentiere jagte damals bereits nach Beute.

Puzzle aus 150 Fragmenten

Eine bizarre Ergänzung dieser riesenhaften Gliedertier-Menagerie liefern nun Fossilien, die Paläontologen bei Ausgrabungen in der 27 Meter dicken Winneshiek Shale-Formation im Nordwesten des US-Bundesstaates Iowa entdeckten. Vor rund 460 Millionen Jahren lagerten sich hier feine Sande ab und bedeckten dabei auch die in unzählige Stücke zerfallenen Überreste eines Gliedertiers aus dieser Ära. Um herauszufinden, zu welchem Tier diese mehr als 150 Fragmente gehörten, mussten die Paläontologen diese erst wie ein Puzzle zusammensetzen.

Zu Hilfe kam ihnen dabei der außergewöhnlich gute Erhaltungszustand der Fossilien: „Das Exoskelett ist auf dem Gestein komprimiert, kann aber abgezogen und unter einem Mikroskop untersucht werden“, berichtet Studienleiter James Lamsdell von der Yale University in New Haven. „Dabei zeigt sich eine erstaunliche Menge an Details – fast als wenn man die abgeworfene Haut eines modernen Tieres anschauen würde.“

Die Fossilfragmente sind so gut erhalten, dass sogar die feinen Hautstacheln zu sehen sind. © James Lamsdell

„Unglaublich bizarr“

Als die Forscher die Fossilienfragmente zusammengesetzt hatten, staunten sie nicht schlecht: „Diese neue Art ist unglaublich bizarr“, sagt Lamsdell. „Sie ist riesig – mehr als eineinhalb Meter lang! Und auch die Form ihres Paddels und Kopfes sind einzigartig.“ Die neuen Funde gehören zu einer bis dahin unbekannten Art der Seeskorpione (Eurypterida), einer urzeitlichen Schwestergruppe der Spinnentiere. Schon aus früheren Funden war bekannt, dass diese Gliedertiere wahrscheinlich räuberisch lebten und ziemlich groß werden konnten.

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Die jetzt entdeckte Art Pentecopterus decorahensis jedoch übertrifft alle seine Zeitgenossen deutlich: Mit einer Länge von bis zu 1,70 Metern ist er der größte und älteste bekannte Seeskorpion des Ordoviziums, wie die Forscher berichten. Er wurde fast einen Meter länger als die verwandte und etwa zehn Millionen Jahre später lebende Gattung Megalograptus. Dabei war dieser Meeresgigant aber keineswegs plump, sondern eher langgestreckt und durchaus grazil, so die Wissenschaftler.

Fangarme und ein Paddel

Die Fossilfragmente sind so gut erhalten, dass sich selbst kleinste Details im Aussehen des Seeskorpions rekonstruieren lassen. Sie zeigen, dass Pentecopterus decorahensis einen lang über den Kopf vorgezogenen Rückenschild besaß. Das zweite und dritte Beinpaar ließ sich weit vorstrecken und war zu stachelbesetzten Greifarmen umgebildet. „Kombiniert mit der starken Verlängerung der Stacheln deutet dies darauf hin, dass sie vornehmlich dem Packen der Beute dienten und nicht der Fortbewegung“, sagen Lamsdell und seine Kollegen.

Ein Bein des Pentecopterus mit beweglichen unn starren Stacheln © James Lamsdell

Für das Vorwärtskommen sorgten stattdessen die vierten, fünften und sechsten Beinpaare, mit denen der Seeskorpion wahrscheinlich ähnlich wie die Insekten sechsbeinig lief. Möglicherweise konnte der Urzeitriese aber seine Beute auch schwimmend verfolgen – dafür spricht ein ungewöhnlich verbreiterter Anhang am sechsten Beinpaar, das zusammen mit dem siebten Paar eine Art Paddel bildete. Auch der zehn Millionen Jahre später lebende Megalograptus besaß ein ähnliches, wenn auch fortgeschritteneres Paddel, wie die Forscher erklären.

Sind die Spinnentriere älter als gedacht?

Der Fund dieses fossilen Seeskorpions wirft auch ein neues Licht auf die frühe Entwicklung der Spinnentiere und ihrer Verwandten. Denn mit Pentecopterus hat man nun nicht nur den bisher ältesten Vertreter der Eurypteriden gefunden, er besitzt für das Mittlere Ordovizium auch schon erstaunlich fortgeschrittene Merkmale.

„Das deutet darauf hin, dass die Seeskorpione entweder eine längere evolutionäre Geschichte haben als man bisher dachte und sogar bis in Kambrium zurückreichen oder aber dass sie im Ordovizium eine wahre Explosion der Artenvielfalt erlebten“, so Lamsdell und seine Kollegen. Wäre ersteres der Fall, dann könnten auch die eng verwandten Vorfahren der heutigen Spinnentiere bereits älter sein als bisher angenommen. (BMC Evolutionary Biology, 2015; doi: 10.1186/s12862-015-0443-9)

(BioMed Central, 01.09.2015 – NPO)

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