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Medizin

Austern sind Norovirus-Reservoir

Menschliche Genotypen des Norovirus überdauern in Schalentieren

Rohe Austern gelten als Delikatesse, doch Vorsicht: Die Schalentiere sind ein Reservoir des unangenehmen Norovirus. © FreeImages.com / Simon Wong

Delikatessen als Infektionsrisiko: Wer rohe Austern liebt, kann sich leicht Noroviren einhandeln. Denn Schalentiere dienen dem Virus als Reservoir, wie chinesische Wissenschaftler herausgefunden haben. Fast alle von kontaminierten Austern ausgelösten Epidemien des Virus gehen demnach auf Virenstämme zurück, die ursprünglich aus dem Menschen stammen. Austern und auch andere Muscheln sollte man daher nur gut durchgegart verspeisen, raten die Forscher.

Noroviren sind hartnäckig und unangenehm: Sie verursachen beim Patienten Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Außerdem sind sie äußerst ansteckend und können sich rasend schnell ausbreiten. Übertragen werden sie vor allem durch den Menschen: Ausscheidungen, ungewaschene Hände und kontaminierte Lebensmittel sind die häufigsten Ansteckungsrouten. Vor allem Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeheime sind durch Norovirus-Epidemien gefährdet.

Genetische Analyse der Virenstämme

Erst kürzlich haben Forscher entdeckt, dass Zitronensaft ein wirksames Desinfektionsmittel gegen Noroviren ist. Sie spekulierten ebenfalls über den Nutzen von ein paar Tropfen Zitronensaft, die man vor dem Essen einer Auster darüber träufelt – Austern sind eine häufige Infektionsquelle für Noroviren.

Darum haben Wissenschaftler um Yongjie Wang von der Shanghai Ocean University von Austern ausgelöste Norovirus-Epidemien genauer untersucht: Sie analysierten über tausend genetische Sequenzen von Noroviren aus solchen Epidemien. Die Daten aus dem Zeitraum von 1983 bis 2013 erhielten sie aus Online-Datenbanken. Die Forscher bestimmten, zu welchem Genotyp und welcher Gruppe die Viren jeweils gehörten und kartierten so ihre genetische Vielfalt, aber auch ihre geographische Ausbreitung.

Austern beherbergen menschliche Noroviren

Das Ergebnis: In den meisten Fällen übertragen die Austern Noroviren-Stämme, die normalerweise den Menschen befallen. „Mehr als 80 Prozent der menschlichen Norovirus-Genotypen waren in Proben aus Austern oder durch Austern verursachten Epidemien nachweisbar“, sagt Wang. Die Austern seien demnach nicht nur eine Infektionsquelle, sondern auch ein langfristiges Reservoir für Viren, die ursprünglich aus dem Menschen stammen, schlussfolgern die Forscher.

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Die Ursache liegt wahrscheinlich in durch menschliche Abwässer belasteten Küsten, wo auch Austern vorkommen. Dies deckt sich mit früheren Ergebnissen Wangs und seiner Kollegen: 90 Prozent der in Menschen vorkommenden Norovirus-Sequenzen in China stammen aus Küstenregionen. Der neuen Studie zufolge trifft Ähnliches praktisch auf der ganzen Welt zu, lediglich aus den Tropen fehlen bislang Daten.

Austern nur durchgegart essen

„Die Ergebnisse betonen, wie wichtig Austern für das Überdauern des Norovirus in der Umwelt und die Übertragung auf den Menschen sind“, sagt Wang, „und sie demonstrieren, wie dringend menschliche Noroviren in Auster-Proben überwacht werden müssen.“ Besonders beim Verzehr roher Austern sei das Risiko hoch. Austern und auch andere Muscheln sollten deshalb nur gut durchgegart gegessen werden, raten die Wissenschaftler.

Noroviren können im Gewebe der Austern auch längere Zeit überdauern. Bei kommerziellen Verfahren der Austernzucht können sie bislang nicht beseitigt werden. Außerdem fehlt es an zuverlässigen Nachweisverfahren der Viren in solchen Proben. Wang und Kollegen plädieren darum für schnellere und bessere Nachweise, und auch für ein weltweites Netzwerk, mit dem Norovirus-Epidemien besser verfolgt werden sollen. (Applied and Environmental Microbiology, 2015; doi: 10.1128/AEM.01729-15)

(American Society for Microbiology, 01.09.2015 – AKR)

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