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Klima

Gletscherschwund auch im Tien Shan

Zentralasiens größte Gebirgskette könnte bis 2050 die Hälfte ihres Eises verlieren

Gletscher im kirgisischen Ausläufer des Tien Shan © D. Farinotti/ GFZ/ WSL

Die wichtigste Wasserquelle Zentralasiens droht zu versiegen: Das Hochgebirge des Tien Shan hat schon jetzt ein Viertel seines Gletschervolumens verloren. Setzt sich die Entwicklung fort, könnte das Gebirge die Hälfte bis 2050 seiner Gletscher verlieren, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Für Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Teile Chinas wäre das fatal, denn sie sind vom Schmelzwasser des Tien Shan abhängig.

Erst vor kurzem warnten Forscher, dass der Himalaya rapide an Eis verliert. Unbekannt war dagegen die Lage im nördlich des Himalaya liegenden Tien Shan. Dieses Gebirge spielt für die Wasserversorgung Zentralasiens eine zentrale Rolle. Denn die Gletscher des Tien Shan speichern Wasser als Eis und geben es in den trockenen, oft komplett regenfreien Sommern wieder frei.

Das Schmelzwasser des Tien Shan ist für weite Teile Kasachstans, Kirgistans und Usbekistans die wichtigste Wasserquelle und auch der Nordwesten Chinas ist von diesem Nass abhängig. Nirgendwo ist die Frage nach dem Zustand der Gletscher enger mit der Frage der Wasserverfügbarkeit und damit der Nahrungsmittelsicherheit verknüpft.

Lage des Tien Shan am Nordrand des Tarimbeckens und der Taklamakan-Wüste © NASA/MODIS/ Blue Marble

Eisige Bestandsaufnahme

„Trotz dieser Bedeutung war bisher nur wenig über die Entwicklung der Gletscher in Zentralasien während des letzten halben Jahrhunderts bekannt“, erläutert Erstautor Daniel Farinotti vom Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ. Denn die meisten direkten Gletschermessreihen wurden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingestellt und nur zum geringen Teil wieder aufgenommen.

Farinotti und seine Kollegen haben nun eine Bestandsaufnahme der Tien Shan-Gletscher durchgeführt und deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nachvollzogen. „Dazu kombinierten wir Messungen und Methoden von Satellitengravimetrie, Laserhöhenmessung und glaziologischer Modellierung“, so Farinotti. „Wir konnten so die Entwicklung jedes einzelnen Gletschers im Tien Shan nachvollziehen.“

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27 Prozent Verlust

Das Ergebnis: Auch im Tien Shan hat sich der Gletscherschwund beschleunigt – seit den 1970er Jahren um das Dreifache. Seit 1961 ist die Eisfläche in diesem Gebirge um 18 Prozent auf jetzt noch 13.190 Quadratkilometer geschrumpft, wie die Forscher berichten. Das Eisvolumen hat in dieser Zeit um 27 Prozent abgenommen. „Das entspricht dem Vierfachen des globalen Durchschnitts“, so die Wissenschaftler.

Gletscher des Teskey Ala-Too in Kirgisistan © D. Farinotti/ GFZ/ WSL

Und der Eisverlust beschleunigt sich weiter: In der Zeit von 2003 bis 2009 lag der jährliche Eisverlust bereits bei mehr als sechs Gigatonnen pro Jahr. „Die Gletscher im Tien Shan verlieren zur Zeit jährlich eine Wassermenge, die ungefähr dem doppelten Jahreswasserverbrauch ganz Deutschlands entspricht“, berichtet Farinotti.

Ursache sind zu warme Sommer

Ursache des Eisverlusts sind vor allem die immer wärmeren Sommer in der Tien Shan Region. „Da die Wintermonate sehr trocken und die Berge sehr hoch sind erhalten die Gletscher den meisten Schneefall während des Sommers“, erklärt Farinotti. „Dies bedeutet, dass ein Anstieg der Temperatur sowohl zu einer verstärkten Schmelze als auch zu einem verminderten ‚Gletschernährung‘ führt – und beides unterstützt den Gletscherschwund.“

Für die Zukunft Zentralasiens sind dies keine guten Aussichten: Steigen die regionalen Sommertemperaturen bis 2050 um zwei weitere Grad – was durchaus realistisch ist – dann könnte sich das Eisvolumen im Tien Shan bis 2050 halbiert haben. (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo2513)

(GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ), 18.08.2015 – NPO)

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