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Biotechnologie

Krebsgen bestimmt Schicksal von Stammzellen

Mechanismus der Selbsterneuerung von Stammzellen im Tierversuch entdeckt

Das Gleichgewicht zwischen Selbsterneuerung und Spezialisierung wird bei Blutstammzellen von einem bekannten Krebsgen reguliert. Dies hat ein Forschungsteam am Schweizerischen Institut für Experimentelle Krebsforschung mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds entdeckt.

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Adulte Stammzellen geben Hoffnung auf neue Therapien gegen Krankheiten wie Herzinfarkt oder Diabetes. Denn sie bilden in unserem Körper von Natur aus Ersatz für alte Zellen. Dabei produzieren sie nicht nur spezialisierte Zellen wie Haut-, Blut- oder Nervenzellen; sie erneuern sich auch dauernd selbst. Doch versucht man diese Zellen im Labor zu züchten, gehen sie schnell verloren, weil sie sich spezialisieren und ihre eigene Regeneration vernachlässigen. Wüsste man, wie sich Stammzellen im Körper erneuern, könnte man ihre Vermehrung im Labor verbessern, was der Entwicklung neuer Therapien dienen würde.

„c-myc“ bei einem Fünftel aller Tumore überaktiv

Nun hat ein Team um Andreas Trumpp vom Schweizerischen Institut für Experimentelle Krebsforschung entdeckt, dass ein bekanntes Krebsgen dieses Gleichgewicht zwischen Selbsterneuerung und Spezialisierung reguliert.

Beim Krebsgen handelt es sich um das Gen „c-myc“, das bei etwa einem Fünftel aller Tumore überaktiv ist, darunter bei verschiedenen Arten von Blutkrebs. Andreas Trumpp und sein Team sind seiner natürlichen Funktion auf der Spur. Sie haben dazu Mäuse mit Blutstammzellen gezüchtet, bei denen das Gen unterschiedlich aktiv war. Zu ihrer eigenen Überraschung haben sie entdeckt, dass die Aktivität des Krebsgens darüber entscheidet, ob sich Blutstammzellen erneuern, oder ob sie den Weg der Spezialisierung einschlagen. Ist das Gen nämlich übermäßig aktiv, so verlieren die Mäuse ihre Blutstammzellen, weil diese vom Knochenmark ins Blut wandern und sich spezialisieren. Wird das Gen jedoch unterdrückt, dann leiden die Mäuse unter massiver Blutarmut, weil die Blutstammzellen im Knochenmark bleiben und dort nur ihresgleichen bilden.

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Bedeutet das, dass man bei Stammzellen einfach das Krebsgen „c-myc“ ausschalten muss, damit sie sich auch in Kultur vermehren? So einfach ist die Sache nicht. Die Forschenden haben den Versuch gemacht, doch die Zellen haben sich im Reagenzglas genauso spezialisiert wie dies normale Blutstammzellen tun, statt sich selbst zu erneuern.

Einbettung in die Stammzell-Nische

Andreas Trumpp erklärt das Resultat mit der Einbettung der Stammzellen in ihre dreidimensionale Umgebung, der so genannten Stammzell-Nische. Sie produziert Signale, welche die Spezialisierung der Stammzellen verhindert und ihre Selbsterneuerug fördert. „Blutstammzellen ohne ‹c-myc› bleiben in der Nische hängen, weil sie mehr Moleküle bilden, mit denen sie sich an ihre Umgebung heften“, erklärt Trumpp. Seine Studien haben nämlich ergeben, dass das Gen „c-myc“ die Bildung solcher Adhäsionsmoleküle hemmt. Mit Adhäsionsmolekülen bleiben die Stammzellen in der Nische sitzen und vermehren sich selbst. Ohne diese Moleküle verlassen sie die Nische und gehen den Weg der Spezialisierung. Wieviele Adhäsionsmoleküle gebildet werden, darüber entscheidet das Gen „c-myc“.

Dass die Nische über die Zahl und das Überleben der Stammzellen entscheidet, wird seit längerem vermutet. Doch nun hat das Team um Andreas Trumpp erstmals einen Mechanismus beschrieben, der das Zusammenspiel von Stammzellen mit ihrer Nische erklärt.

Als nächstes wollen die Forschenden herausfinden, wie das Gen „c-myc“ seinerseits reguliert wird, damit ein Gleichgewicht zwischen Selbsterneuerung und Spezialisierung der Stammzellen zustande kommt. Dies ist die Grundlage für die Entwicklung von neuen Methoden zur Vermehrung adulter Stammzellen aus Patienten – eine der wichtigsten Voraussetzungen für die therapeutische Anwendung. Ein weiterer praxisrelevanter Aspekt dieser Forschungsarbeiten ist die überraschende Entdeckung, dass ein Krebsgen Stammzellen kontrolliert. Andreas Trumpp und sein Team möchten nun den offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Regulation von Stammzellen und der Entstehung von Krebs genauer untersuchen.

Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift “Genes & Development“ erschienen.

(Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, 17.11.2004 – DLO)

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