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Zoologie

Pupillenform verrät das Raubtier

Unterschiedliche Lebensweisen profitieren von charakteristischer Pupillenform

Mit Katzenaugen: Die geschlitzte Pupille hilft kleinen Raubtieren dabei, die Entfernung zur Beute zu schätzen. © FreeImages.com / Joanie Cahill

Räuberischer Jäger oder friedliches Weidetier? Die Lebensweise eines Tieres lässt sich oft an seiner Pupille erkennen: Senkrechte Schlitze erleichtern die Jagd, waagerecht geschlitzte Pupillen geben Pflanzenfressern den besseren Überblick, wie Wissenschaftler durch Beobachtungen und Computermodelle herausgefunden haben. Befindet sich der Kopf jedoch weit über dem Boden, liefert eine runde Pupille offenbar das beste Bild – deshalb haben wir Menschen keine Katzenaugen.

Ob mit Katzenaugen, Hundeblick oder schafsäugig – die Augen verschiedener Tiere sind sogar sprichwörtlich charakteristisch. Beim Menschen gelten die Augen als Fenster zur Seele, und manche Charaktereigenschaften wollen wir schon an den Augen ablesen. Viele Tiere haben besonders auffällige Augen, und besonders die geschlitzten Pupillen lassen sie für Menschen exotisch erscheinen. Doch warum unterscheiden sich die Pupillenformen so deutlich von Tier zu Tier?

Bessere Lichtverhältnisse zu jeder Tageszeit

Die Pupillen von insgesamt 214 an Land lebenden Tieren haben Martin Banks von der University of California in Berkeley (UCB) nun genauer untersucht. Außerdem überprüften sie in Computermodellen, wie sich eine unterschiedliche Form der Pupille auf das Sehen auswirkt. Dabei fanden sie heraus, dass eine bestimmte Form der Pupille jeweils für ein bestimmtes Verhalten typisch ist: ob räuberischer Jäger oder friedliches Weidetier.

Geschlitzte Pupillen wie bei der Hauskatze sich recht einfach erklären: Im Gegensatz zu den runden Pupillen des Menschen erlauben sie eine wesentlich variablere Größe der Pupille. Bei heller Mittagssonne lassen sie sich fast schließen, in dunkler Nacht dagegen weit aufreißen. Solche Pupillen helfen daher allen Tieren, die bei wechselnden Lichtverhältnissen sowie bei Tag und Nacht aktiv sind. Die Pupillen von Hauskatze oder Gecko etwa können ihre Fläche um das 135- bis 300-fache verändern. Zum Vergleich: Die menschliche Pupille vergrößert sich bloß um das bis zu 15-fache.

Warum keine diagonalen Pupillen?

„Aber diese Hypothese erklärt noch nicht, warum die Schlitze entweder vertikal oder horizontal sind“, sagt Banks. „Warum sehen wir keine diagonalen Schlitze?“ Die Computermodelle zeigten, welche Vorteile Weidetiere wie Pferde oder Schafe durch ihre waagerecht verlängerten Pupillen gewinnen.

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Die waagerechte Pupille der Weidetiere behält ihre Orientierung auch bei gesenktem Kopf bei und sorgt für besseren Überblick. © Gordon Love, Durham University

Mit ihren seitlich am Kopf sitzenden Augen erreichen diese Tiere bereits nahezu Rundumsicht, ohne den Kopf zu bewegen. Die horizontal angeordneten Pupillen verstärken diesen Effekt noch: Sie verbessern die Sicht aus dem Augenwinkel selbst bei zusammengezogener Pupille. Dies hilft den Tieren beim Grasen, gefährliche Raubtiere früher zu erkennen. Bei der Flucht haben sie außerdem einen besseren Blick auf ihren Fluchtweg. Die waagerechte Pupille dämpft außerdem blendendes Sonnenlicht von oben und erlaubt so bessere Sicht auf den Boden vor dem Tier.

Allerdings gibt es ein Problem zu überwinden: Hält etwa ein Schaf den Kopf oben, so sind seine Pupillen parallel zum Boden ausgerichtet. Doch was geschieht, wenn das Tier den Kopf senkt, um Gras zu fressen? Bei Weidetieren von Schafen und Ziegen bis zu Pferden und Antilopen beobachteten die Forscher, dass die horizontalen Pupillen ihre Orientierung zum Boden beibehalten – die Augen rotieren beim Senken des Kopfes um über 50 Grad, mehr als zehnmal so viel wie menschliche Augen.

Stereo-Sicht und Tiefenunschärfe

Raubtiere sind auf eine völlig andere Sichtweise angewiesen: Rundumsicht ist für sie weniger wichtig, sie müssen dagegen genau erkennen, wie weit ein Beutetier entfernt ist. Das gilt besonders für Tiere wie Katzen, die ihrer Beute auflauern. Um Raumtiefe zu erkennen und Entfernungen schätzen zu können, ist beidäugiges Sehen erforderlich. Bei Katzen, wie auch bei den meisten anderen Raubtieren, liegen darum die Augen nebeneinander und nach vorn gerichtet. Diese Stereo-Sicht ist bei vertikalen Umrissen besonders effektiv.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tiefenunschärfe. Auch daran, wie sehr ein Gegenstand oder ein Beutetier verschwimmt oder wie scharf die Augen darauf fokussiert werden müssen, lässt sich die Entfernung schätzen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die senkrechte Pupille der Hauskatze beide Mechanismen unterstützt: Sie verdeutlicht vertikale Umrisse für die Stereo-Sicht und betont die Tiefenunschärfe.

Löwen gehören zu den Katzen, haben aber runde Pupillen - auch wenn sie noch klein sind. © FreeImages.com / Marcos Roberto Silva

Puzzleteile zum Verständnis des Sehens

Aber dieser Vorteil gilt nicht für alle Raubtiere: Von 65 Raubtieren mit nach vorn gerichteten Augen hatten nur 44 senkrecht geschlitzte Pupillen. Davon hatten vier Fünftel eine Schulterhöhe von weniger als 42 Zentimetern – offenbar profitieren nur kleinere Räuber nennenswert von den ausgeprägten Sehschlitzen.

Diese helfen offenbar nur solchen Tieren, deren Kopf sich dicht am Boden befindet. „Deshalb haben Hauskatzen senkrechte Schlitze“, erklärt Koautor William Sprague von der UCB, „aber größere Katzen wie Tiger oder Löwen haben sie nicht. Deren Pupillen sind rund, wie bei Menschen und Hunden.“ Die runden Pupillen deuten auch auf Räuber hin, die ihre Beute hetzen anstatt ihr aufzulauern – Kriterien, die auch auf den frühen Menschen zutreffen.

Die Wissenschaftler betonen, dass sie bislang allein landlebende Tiere untersucht haben. In folgenden Studien wollen sie auch Tiere untersuchen, die im Wasser oder auf Bäumen leben oder fliegen können. Dabei erwarten sie ähnliche faszinierende Zusammenhänge: „Wir lernen dauernd dazu, wie bemerkenswert das Auge und das Sehen sind,“ sagt Studienleiter Gordon Love von der britischen Durham University. „Diese Arbeit ist ein weiteres Puzzleteil zum Verständnis, wie die Augen funktionieren.“ (Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1500391)

(University of California – Berkeley, 10.08.2015 – AKR)

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