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Zoologie

Eisbären: Zwei Sorten von Männchen

Erstmalige Rekonstruktion des Y-Chromosoms zeigt zwei getrennte genetische Linien

Eisbären verbringen einen großen Teil ihres Lebens auf dem Eis. © Jan Will / iStock.com

Verräterisches Y-Chromosom: Zum ersten Mal haben Wissenschaftler im Erbgut von Eisbären gezielt die männliche Linie ihres Stammbaums rekonstruiert. Dabei zeigte sich: Vor mehr als 100.000 Jahren entwickelten sich zwei getrennte genetische Gruppen männlicher Eisbären. Indirekt bestätigt dieses Ergebnis auch die gewaltigen Wanderungen, die die Eisbären zurücklegen, schreiben die Forscher im Fachjournal „Genome Biology and Evolution“.

Der Eisbär gilt als das größte an Land lebende Raubtier auf der Erde. Allerdings verbringt er einen großen Teil seines Lebens am oder im Wasser, oder auf dem Meereis der Arktis. Aus diesem Grund ist auch überraschend wenig über diese Bärenart bekannt: Ihre Überreste sind nur selten auffindbar. Mit Beobachtungen vom Flugzeug oder mit Hilfe von GPS-Sendern lässt sich zwar viel über das Verhalten der Eisbären erfahren. Über die Entwicklung der Art verrät das jedoch nichts.

Erbgut statt Fossilien

„Um dennoch Einblicke in die evolutionäre Entwicklung von ‚Ursus maritimus‘ zu erhalten, verwenden wir daher anstelle von Fossilien das Erbgut“, erklärt Axel Janke vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt. Ähnliche Analyen hatten bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass es Eisbären schon viel länger gibt, als bisher gedacht. Schon im Jahr 2010 hatten DNA-Tests außerdem Hinweise darauf gegeben, dass sich Eisbären beginnen, mit Grizzlybären zu kreuzen – als Auswirkung des Klimawandels.

Janke und sein Team haben nun gezielt die männliche Abstammungslinie des Eisbärs untersucht. Dafür konzentrierten sie sich auf das Y-Chromosom, welches nur männliche Säugetiere tragen. In bisherigen genetischen Untersuchungen hatten Wissenschaftler hautsächlich das Erbgut weiblicher Eisbären herangezogen.

Y-Chromosom: Wichtiger Teil des Säuger-Erbguts

„Das ist insofern überraschend, da das Y-Chromosom ein wichtiger Bestandteil des Säugetiergenoms ist“, meint Erstautor Tobias Bidon. „Er wird nur von Männchen zu Männchen vererbt und liefert damit wichtige Erkenntnisse über die geschlechtsspezifische Evolutionsgeschichte und Populationsdynamik.“

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Die Wissenschaftler machten sich die Sonderstellung des Y-Chromosoms zunutze: Es liegt im männlichen Tier nur in einer Kopie vor. Beim Weibchen fehlt es gänzlich, während alle anderen Chromosomen doppelt vorhanden sind. Um die Information des Eisbären-Y-Chromosoms innerhalb des gesamten Erbguts zu finden, suchten die Forscher gezielt nach Abschnitten, die im Erbgut nur einmal vorhanden sind. „Mit dieser ‚Ausschluss-Methode‘ konnten wir insgesamt 1,9 Millionen Basenpaare des männlichen Erbgutes identifizieren“, sagt Studienleiter Janke.

Von Alaska bis Spitzbergen

Anhand der rekonstruierten Sequenzen identifizierten die Wissenschaftler zwei genetische Linien männlicher Eisbären, die sich vor über 100.000 Jahren voneinander trennten. Allerdings entwickelten sie sich nur genetisch auseinander, nicht geografisch: „Individuen beider genetischer Gruppen finden wir heute in verschiedenen arktischen Regionen – von Alaska bis Spitzbergen“, erzählt Bidon. Dies bestätigt die Vermutung, dass Eisbären über gewaltige Distanzen wandern und so ihr genetisches Material in der gesamten Arktis verteilen.

„Wir hoffen, mit unserer Methode in Zukunft auch von anderen Tieren große Teile des Y-Chromosoms rekonstruieren zu können, um damit die väterliche Vererbung zu studieren“, gibt Janke einen Ausblick auf weitere Projekte. (Genome Biology and Evolution, 2015; doi: 10.1093/gbe/evv103)

(Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 27.07.2015 – AKR)

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