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Geowissen

Mikroben 2.500 Meter unter dem Meeresgrund

Bakterien der tiefen Biosphäre zehren von Kohleschichten im Sediment

Mikroben aus rund 2.000 Metern Tiefe unter dem Elektronenmikroskop © Hiroyuki Imachi/ JAMSTEC

Leben im Keller der Erde: Noch in fast 2.500 Metern Tiefe unter dem Meeresgrund gibt es lebende Mikroben. Das belegen Proben, die Forscher bei der tiefsten Meeresbohrung der Welt entnommen haben. Bei den Mikroben dieser tiefen Biosphäre handelt es nicht um typische Meeresbewohner, sondern um Bakterien, die sonst in Waldböden vorkommen. Sie gelangten wahrscheinlich in die Tiefe, als ihr Wald einst im Meer versank, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Das Leben macht auch vor der steinernen Tiefe der Erdkruste nicht halt – im Gegenteil. Bohrungen haben lebende Bakterien und Archaeen schon aus Basaltgestein hunderte Meter tief unter dem Meeresgrund zutage gefördert. Eine andere Bohrung fand sogar noch Leben in 1.922 Metern Tiefe. Forscher schätzen, dass diese tiefe Biosphäre vermutlich sogar das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde bilden könnte.

Aber wie weit reicht diese Biosphäre in die Tiefe? Um das herauszufinden, hat ein internationales Forscherteam an Bord des japanischen Bohrschiffs Chikyu das bisher tiefste Loch in den Meeresboden gebohrt. 2012 gelang es ihnen, vor der japanischen Küste bis zu 2.466 Meter tief in den Meeresboden vorzudringen und Proben zu gewinnen.

Das japanische Forschungs-Bohrschiff Chikyu an der Probenstelle © JAMSTEC

Mikroben bis in 2.458 Meter Tiefe

Und tatsächlich: Selbst so tief im Gestein wurden Fumio Inagaki von der japanischen Meeresforschungsbehörde JAMSTEC und seine Kollegen fündig: „Wir haben intakte Mikrobenzellen in der gesamten durchbohrten Sedimentschicht entdeckt, bis hin zu tiefsten Proben bei 2.458 Metern unter dem Meeresboden“, berichten die Forscher.

Etwa ab 1,5 Kilometern Tiefe nahm die Zelldichte in den Proben allerdings deutlich ab – möglicherweise liegt dieser Bereich schon nahe an der unteren Grenze der tiefen Biosphäre. Aber immerhin: Die Forscher fanden auch dort noch zwischen 10 und 1.000 Zellen pro Kubikzentimeter Gestein. „Trotz der extrem geringen Zellzahlen konnten wir biologische Prozesse selbst in den größten Tiefen nachweisen“, so Inagaki und seine Kollegen.

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Tiefe Kohleschichten als Nahrung

Aktiv waren die Mikroben vor allem Kohlenablagerungen, die unterhalb von 1,5 Kilometern Tiefe mehrere bis zu sieben Meter dicke Schichten bilden. Sie entstanden vor etwa 20 Millionen Jahren, als Pflanzenmaterial im Schlamm versank und von Sediment überdeckt wurde. In diesen Kohlenschichten tief unter dem Meeresgrund herrschen heute Temperaturen von 40 bis 60 Grad. Und dies scheint einer speziellen Lebensgemeinschaft von Mikroben beste Bedingungen zu bieten.

Die tiefen Kohlenschichten liefern diesen Mikroben ihre Energie. © Hiroyuki Imachi/ JAMSTEC

„Die mikrobiellen Grenzgänger wandeln dort unten Kohle, die in den Ablagerungen enthalten ist, in Methan um“, berichtet Koautor Kai-Uwe Hinrichs vom MARUM in Bremen. Dies ermittelten er und seine Kollegen durch die Isotopen-Zusammensetzung des in der Tiefe gefundenen Methans und Kohlendioxids. Auch in Zellkulturen, die die Forscher mit diesen Mikroben anlegten, erwiesen sich diese als Methanproduzenten.

Mit dem Urzeit-Wald in die Tiefe

Interessant war an den Mikroben dieser extremen Tiefe noch etwas. Denn die Bewohner der tiefen Kohlenschichten unterschieden sich in ihrer Artenzusammensetzung deutlich von denen, die über ihnen im Sediment lebten. Unter anderem war der Anteil der Archaeen unter diesen Mikroben auffallend gering und auch viele der weiter oben vorkommenden Bakterienarten fehlten hier. „Sie weisen stattdessen Ähnlichkeiten zu Mikrobengemeinschaften auf, wie man sie in Waldböden findet“, berichtet Inagaki.

Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass die Vorfahren dieser Mikroben einst mitsamt der Pflanzenreste und des urzeitlichen Waldbodens untergingen und sich an die neuen Bedingungen anpassten. Mehr als 20 Millionen Jahre später bilden ihre Nachfahren nun eine ganz eigene Lebensgemeinschaft innerhalb der tiefen Biosphäre. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa6882)

(AAAS/ Marum, 24.07.2015 – NPO)

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