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Neurobiologie

Auch Ratten träumen von der Zukunft

Gehirn spielt künftige Wege schon vorab durch

Schlafende Ratten - ob und was sie träumen, wissen wir nicht. © Crissy1982/ iStock.com

Unbewusste Zukunftsplanung: Ähnlich wie wir können Ratten im Schlaf für die Zukunft planen. Ihr Gehirn spielt künftige Wege schon mal vorab durch, wie ein Experiment nun belegt. Hatten die Ratten eine noch unerreichbare Futterquelle gesehen, nahm die Hirnaktivität in ihrer „mental map“ den Weg zum Futter bereits vorweg. Bisher kannte man diese Rekapitulation nur für bereits absolvierte Wege, wie die Forscher im Fachmagazin „eLife“ berichten.

Ratten haben einen schlechten Ruf, gelten oft als „Ekeltiere“. Dabei sind diese Nager uns in vielem ähnlicher als man lange glaubte: Sie können Reue empfinden, den Schmerz eines Artgenossen erkennen und orientieren sich, wie wir auch, durch mental maps. Hugo Spiers vom University College London und seine Kollegen haben nun eine weitere Gemeinsamkeit aufgedeckt. Sie betrifft den Schlaf – oder genauer das Träumen.

Gehirn „träumt“ zurückgelegte Wege…

Für ihren Versuch setzten sie Ratten in einen gegabelten Gang, bei dem ein Arm leer war, der andere ein begehrtes Futter enthielt. Der Zugang zu diesem Arm war jedoch noch versperrt. Anschließend wurden die Ratten in einen Ruhekäfig gesetzt, in dem sie eine Stunde schliefen. Während des Schlafs leiteten die Wissenschaftler die Hirnströme der Ratten ab. Das geschah auch später, als die Tiere erneut in den T-Gang durften – diesmal mit freiem Zugang zum Futter.

Wie sich zeigte, waren im Schlaf genau die Zellen im Hippocampus des Rattenhirns aktiv, die normalerweise als mental map dienen. „Während der Ruhe spielt der Hippocampus die zuvor absolvierten Wege durch diese Karte erneut ab, das stärkt wahrscheinlich das räumliche Gedächtnis“, erklärt Spiers. „Man vermutet, dass diese Wiederholung auch einen Teil unserer Träume bildet.“

…und „übt“ zukünftige Routen

Aber im Fall der Ratten beobachteten die Forscher Erstaunliches: Das Muster der Hirnaktivität entsprach nicht nur dem zuvor tatsächlich absolvierten Weg – es spiegelte auch den Weg zum Futter wider. Obwohl die Ratten diesen Abzweig des Ganges nie betreten hatten, nahm ihre mental map diesen Weg quasi vorweg. „Das ist das Überraschende“, sagt Koautorin Freyja Olafsdottir vom University College. „Wir sehen hier den Hippocampus für die Zukunft planen, er übt die neuen Wege ein, die die Ratten später zum Futter zurücklegen müssen.“

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Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass auch Ratten in gewisser Weise von der Zukunft träumen können – zumindest, wenn genügend Anreiz in Form von Futter vorhanden ist. „Noch wissen wir nicht genau, wozu diese neuronalen Simulationen gut sind“, sagt Caswell Barry vom University College. „Dieser Prozess könnte aber dazu dienen, die verfügbaren Optionen zu bewerten und herauszufinden, welche am ehesten eine Belohnung bringt. Die Ratten denken das Ganze unbewusst schon mal vorab durch, wenn man so will.“ (eLife, 2015; doi: 10.7554/eLife.06063)

(University College London, 26.06.2015 – NPO)

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