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Biologie

Kängurus sind Linkshänder

Entwickelte sich die Händigkeit zusammen mit dem zweibeinigen Laufen?

Linke Hand bevorzugt: Ein Rotnacken-Wallaby beim Fressen. © Andrey Giljov/ National Geographic Society

Bei den Kängurus sind die Linkshänder klar in der Mehrheit: Die Beuteltiere nutzen bevorzugt ihr linkes Vorderbein, wenn es ums Kratzen, Fressen oder Dinge aufheben geht, wie Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten. Das ist überraschend, weil man Beuteltiere bisher aufgrund ihrer Hirnorganisation für nicht-händisch hielt. Stattdessen entpuppen sich vor allem die zweibeinig laufenden Kängurus nun als mindestens genauso einseitig veranlagt wie die meisten Menschen.

Bei uns Menschen sind die Rechtshänder klar in der Überzahl, nur rund zehn bis 15 Prozent bevorzugen die linke Hand. Im Tierreich ist die Händigkeit dagegen weitaus weniger klar verteilt: Zwar sind Hühner und viele andere Vögel vorwiegend rechtsäugig, wie Studien zeigen. Bei vielen Säugetieren aber ist die Präferenz für eine Seite eher individuell. Bei Beuteltieren galt eine echte Händigkeit dagegen als unwahrscheinlich, denn bei ihnen ist die Arbeitsteilung der Hirnhälften weniger stark ausgeprägt.

Linke Hand bevorzugt

Doch Andrey Giljov von der Universität Sankt Petersburg und seine Kollegen belehren uns nun eines Besseren. Sie haben erstmals die Händigkeit von wildlebenden Känguruarten in Australien und Tasmanien systematisch untersucht. „Was wir dabei beobachteten, war unerwartet“, sagt Seniorautor Yegor Malashichev von der Universität Sankt Petersburg. „Es wurde immer offensichtlicher, dass wir hier etwas Neues und Spannendes gefunden hatten.“

Rotnacken-Wallabies nutzen ihre linke Hand vor allem dann, wenn Feingefühl gefragt ist. © Andrey Giljov/ National Geographic Society

Denn wie sich herausstellte, sind die meisten Kängurus ausgeprägte Linkshänder: Ob sie sich an der Nase kratzen, ein Blatt pflücken oder etwas aufheben – sie bevorzugen die linke Hand dafür. Besonders deutlich war diese Präferenz beim Roten Riesenkänguru und dem Östlichen Grauen Riesenkänguru: „Auf der normalerweise für Primaten genutzten Händigkeitsskala erreichten sie höchste Werte“, so Malashichev. Rotnackenwallabies nutzen ihre Hände dagegen je nach Aufgabe: Ist Feinkoordination gefragt, dann bevorzugen sie die linke Hand. Geht es dagegen um Kraft, dann ist die rechte Hand dran.

Zweibeinigkeit als Voraussetzung?

Insgesamt war die Händigkeit bei allen Arten ausgeprägt, die sich vorwiegend zweibeinig auf den Hinterbeinen fortbewegen, wie die Forscher berichten. Känguruarten, die dagegen vierbeinig laufen oder auf Bäumen herumklettern, hatten dagegen meist keine klare Präferenz. „Das bestätigt die Theorie, dass die Zweibeinigkeit eine entscheidende Rolle bei der Evolution der Händigkeit gespielt haben könnte“, so die Forscher.

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Auch das Östliche Graue Riesenkänguru ist Linkshänder © Andrey Giljov/ National Geographic Society

Gängiger Theorie nach entwickelte sich die Arbeitsteilung der Gehirnhälften und die Präferenz für eine Seite auch bei unseren Vorfahren erst dann, als die Vorderbeine nicht mehr nur zum Laufen genutzt wurden, sondern anspruchsvollere Aufgaben erledigen mussten. Wie und ob sich die Linkshändigkeit bei den Kängurus im Gehirn manifestiert, muss nun noch geklärt werden. Denn bisher gab es keinerlei Hinweise auf eine Asymmetrie im motorischen Cortex dieser Tiergruppe, wie die Forscher erklären.

„Unsere Ergebnisse widersprechen der klassischen Annahme, dass eine ausgeprägte Lateralisierung des Gehirns eine Domäne des Menschen ist“, konstatieren Giljov und seine Kollegen. „Stattdessen sprechen viele Beobachtungen inzwischen dafür, dass die bevorzugte Nutzung einer Seite im Tierreich weiter verbreitet ist als angenommen.“ (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.05.043)

(Cell Press, 22.06.2015 – NPO)

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