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Biologie

Klimawandel verstärkt Sauerstoffmangel im Ozean

Viele Meerestiere müssen zum Atmen in kältere Regionen ausweichen

Der Polardorsch (Boreogadus saida) in der Arktis. Besonders in den Polregionen wirkt sich die steigende Wassertemperatur auf den Sauerstoffhaushalt aus. © Hauke Flores, Alfred-Wegener-Institut

Atemnot durch warmes Wasser: Durch steigende Temperaturen in den Weltmeeren sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers. Was dies für verschiedene Meeresbewohner bedeutet, haben nun Meeresbiologen untersucht. Sie erstellten einen Index, der die Effekte auf die Tierwelt vorhersagt. Demnach sind besonders die Bewohner der Polarmeere vom Klimawandel betroffen, erklären die Forscher im Magazin „Science“.

Tiere müssen Sauerstoff atmen, um zu überleben – sowohl wir Menschen als auch Meerestiere können nur so die Energie aufbringen, um uns zu bewegen, Nahrung aufzunehmen und uns fortzupflanzen. „Soll ein Tier etwas leisten, kostet dies Energie, die das Tier zusätzlich zu seinem Grundumsatz aufbringen muss“, erklärt Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. „Meereslebewesen gewinnen diese zusätzliche Energie, indem sie mehr Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen und veratmen.“

Wärmeres Wasser, weniger Sauerstoff

Im Ozean ist die Situation jedoch komplizierter als an Land: Die Meeresbewohner sind auf den im Wasser gelösten Sauerstoff angewiesen. Wärmeres Wasser kann jedoch weniger Sauerstoff aufnehmen. Der fortschreitende Klimawandel und dadurch erwärmte Ozeane stellen darum viele Arten vor große Probleme. Je wärmer die Meere werden, desto weniger können Meerestiere ihren Sauerstoffverbrauch auf das für Bewegung, Futtersuche oder Fortpflanzung notwendige Maß steigern.

Unterschiedliche Tierarten kommen mit geringem Sauerstoffgehalt des Wassers jedoch unterschiedlich gut zurecht. Pörtner und seine Kollegen haben darum diese beiden Faktoren, Wassertemperatur und Anpassung der Tiere an den Sauerstoffgehalt, in einer Studie zusammengefasst: Sie berechneten die Fähigkeit einiger ausgewählter Tierarten, ihren Energieumsatz durch Aufnahme von Sauerstoff zu steigern. Diese Information setzten sie mit den Temperaturen und Sauerstoffkonzentrationen der Weltmeere in Beziehung.

Wird es zu warm, müssen Meerestiere abwandern

Dabei herausgekommen ist ein sogenannter Stoffwechselindex, der für jede untersuchte Art sauerstoff-atmender Meeresbewohner eine deutliche Grenze definiert, bis zu der sie ihren Stoffwechsel steigern kann. „Meerestiere wie zum Beispiel Aalmuttern, Steinkrabben oder Kabeljau können nur dort leben, wo sie so viel Sauerstoff vorfinden, dass sie bei Bedarf ihre Stoffwechselrate um das Zwei- bis Fünffache des Grundumsatzes steigern können“, verdeutlicht Erstautor Curtis Deutsch von der Universität Washington, Seattle. „Das heißt, jede Tierart hat sich nicht nur auf einen bestimmten Temperaturbereich spezialisiert.“

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„Wird es zu warm und unterschreitet der Sauerstoffgehalt einer Meeresregion die artspezifischen Mindestanforderungen der Lebewesen, müssen die Tiere ihren angestammten Lebensraum verlassen“, sagt Pörtner. Um mehr Sauerstoff zu finden, wandern die Tiere dann in kühlere Regionen ab, entweder polwärts oder in tieferes Wasser. „Beim Kabeljau und vielen anderen Fischarten beobachten wir diese Verschiebung des Lebensraumes schon jetzt.“ Mit dem Stoffwechselindex wollen die Forscher solche Veränderungen zukünftig noch besser vorhersagen.

Besonders die Polarmeere sind betroffen

Besonders deutliche Veränderungen der Tierwelt erwarten die Wissenschaftler für die Polarmeere. „Im Nord- und Südpolarmeer ist das Wasser sehr kalt, aber auch sehr sauerstoffreich“, beschreibt Pörtner. „Die dort lebende Tierwelt hat sich im Laufe der Evolution auf diese Lebensbedingungen eingestellt und wird nur wenige Anpassungsmöglichkeiten haben, wenn es zu der kombinierten Erwärmung und Sauerstoffabnahme kommt.“ Einwandernde wärmeliebende Tierarten, die an höhere Wassertemperaturen und geringere Sauerstoffkonzentrationen angepasst sind, könnten dann die polaren Arten verdrängen.

„Wir haben jetzt einen universellen Ansatz zur Verfügung, um die klimabedingten Veränderungen der geografischen Verbreitung von Arten und ihrer Produktivität besser zu erfassen“, sagt Pörtner. Jetzt sei es Aufgabe der Wissenschaft, weitere Arten auf ihren Stoffwechselindex und dessen Grenzen hin zu untersuchen. „Nach und nach kann so ein komplettes Bild dessen entstehen, was wir in unserer Studie in den ersten Zügen skizziert haben.“ (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa1605)

(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 08.06.2015 – AKR)

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