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Evolution

Meerechsen sorgen für Evolutions-Überraschung

Gleichzeitige Artbildung und Hybridisierung als Erfolgsrezept der Evolution

Meerechse mit Migrationshintergrund: Ein rotes Individuum von der Galapagos-Insel Española hybridisiert mit Meerechsen auf San Cristóbal © TU Braunschweig/Amy MacLeod

Evolution live: Zwei Gruppen von Galapagos-Meerechsen leben zwar auf engstem Raum, verhalten sich aber bereits wie getrennte Arten. Gleichzeitig vermischen sie sich aber noch mit den Echsen benachbarter Inseln. Für Biologen liefert diese gleichzeitige Trennung und Vermischung einzigartige Einblicke in die auf den Galapagos-Inseln ablaufenden Evolutionsprozesse, wie ein internationales Forscherteam im Journal „Proceedings of the Royal Society B“ berichtet.

Die drachenähnlichen Meerechsen der Galapagos-Inseln wirken für viele Menschen auf den ersten Blick nicht unbedingt sympathisch. Charles Darwin hatte eine ziemlich klare Meinung über die Tiere: Sie seien „abscheulich aussehende Kreaturen“ und überdies auch noch „dumm und plump“. Verglichen mit anderen Tieren des Galapagos-Archipels, wie den Darwin-Finken und den Riesenschildkröten, führten die Meerechsen in der Wissenschaft bisher eher ein Schattendasein.

„Hässliches Entlein“ überrascht Biologen

Zu Unrecht, denn die von Darwin als „hässliches Entlein“ geschmähten Echsen sind faszinierende Lebewesen: Weltweit einzigartig unter den Echsen handelt es sich bei ihnen um gute Schwimmer, die im Meer Algen abweiden und alle größeren und kleineren Inseln des Archipels besiedelt haben. Und ausgerechnet die Kreaturen, die der Begründer der Evolutionstheorie „abscheulich“ nannte, sorgen nun bei Evolutionsbiologen für eine Überraschung.

Auf der Galapagos-Insel San Cristóbal haben Forscher um Sebastian Steinfartz von der Technischen Universität Braunschweig zwei Gruppen der Meerechsen entdeckt, die sich nicht mehr miteinander kreuzen. Damit verhalten sie sich im Prinzip wie zwei getrennte Arten. Das überraschende daran ist, dass diese beiden Gruppen nur wenige Kilometer voneinander entfernt auf derselben Insel leben.

Gleichzeitige Trennung und Vermischung

Ab wann zwei Gruppen ähnlicher Lebewesen jeweils eine eigene Art darstellen, ist oft schwierig exakt zu definieren. Dass sie keine Nachkommen miteinander zeugen, gilt jedoch als eines der überzeugendsten Merkmale. Dies geschieht häufig dadurch, dass einzelne Exemplare einer Art in einen neuen Lebensraum abwandern und dann praktisch keinen Kontakt mehr zu ihren ehemaligen Artgenossen haben, etwa weil sie durch ein Gebirge voneinander getrennt sind oder auf verschiedenen Inseln leben.

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Genau diese räumliche Trennung spielt aber für die Meerechsen keine Rolle – im Gegenteil: Meerechsen beider nun auf San Cristóbal beobachteten Gruppen vermischen sich relativ freizügig mit Echsen anderer Inseln, und Hybride zwischen den Arten der einzelnen Galapagos-Inseln sind keine Seltenheit. Nur zueinander verhalten sich die beiden Gruppen wie getrennte Arten. „Wir haben es hier mit einer bisher in der Tierwelt noch nicht dokumentierten parallelen Interaktion von Artbildung und Hybridisierung zu tun“, beschreibt Steinfartz.

Schlüssel zum Erfolg

Die gleichzeitige Artbildung und Vermischung noch nicht vollständig getrennter Arten gewährt den Forschern einzigartige Einblicke hinter die Kulissen der Evolutionsprozesse auf dem Galapagos-Archipel: Sie vermuten, das komplexe Zusammenspiel dieser gegensätzlichen Prozesse erhöhe die Anpassungsfähigkeit der Meerechsen.

Denn während sich eine neue Art bildet, passt sie sich an die lokalen Bedingungen an. Dadurch, dass die neue Art aber noch nicht vollständig von den anderen abgetrennt ist, stehen diese Anpassungen noch dem Genpool der gesamten Population zur Verfügung. So könnten die Echsen auch die zum Teil drastischen Populationseinbrüche im Zuge klimatischer Schwankungen überlebt und als Art mehrere Millionen Jahre bis heute überdauert haben.

„Vielleicht ist gerade dieser Mechanismus der Schlüssel zum Erfolg der Meerechsen“, argumentiert Steinfartz. „Ich hoffe, dass das hässliche Entlein sich jetzt langsam zu einem Schwan entwickelt und uns in Zukunft noch tiefere Einblicke in die Mechanismen der Evolution gewähren lässt.“ (Proceedings of the Royal Society B, 2015; doi: 10.1098/rspb.2015.0425)

(Technische Universität Braunschweig, 03.06.2015 – AKR)

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