Kampf dem Klimawandel? Weltweit beziehen inzwischen auch die Streitkräfte die Veränderung des Weltklimas in ihre strategischen Überlegungen ein. So erwarten die meisten Länder, ihre Militärs künftig vermehrt in der Katastrophenhilfe einsetzen zu müssen. Nur wenige rechnen dagegen mit mehr Kampfeinsätzen beispielsweise durch eskalierende Ressourcenkonflikte, wie die Studie eines deutschen Forschers zeigt.
Mit dem Klimawandel verändert sich mehr als die weltweite Durchschnittstemperatur und die Höhe des Meeresspiegels. Klimaforscher erwarten auch eine Zunahme extremer Wetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen und Dürre. Diese Katastrophen werden in Zukunft mehr humanitäre und technische Hilfe erfordern. Durch den Klimawandel verursachte Wasserknappheit und ähnlicher Ressourcenmangel birgt jedoch auch neues Konfliktpotenzial.
Klimawandel in offiziellen Dokumenten zur Sicherheitspolitik
Diese Konsequenzen beziehen darum auch die Streitkräfte vieler Länder mittlerweile in ihre strategische Planung mit ein. In welchem Ausmaß sie sich auf den Klimawandel vorbereiten, hat Michael Brzoska von der Universität Hamburg untersucht. Er nahm sich dazu die offiziellen Dokumente zur nationalen Sicherheitspolitik von 38 Staaten vor.
Solche Berichte erscheinen je nach Land unterschiedlich häufig: So geben zum Beispiel die USA ihre nationale Sicherheitsdoktrin alle zwei Jahre heraus, das deutsche Weißbuch zur Verteidigungspolitik erschien dagegen zuletzt im Jahr 2006. Das von Brzoska verwendete Material stammt aus dem Zeitraum von 2002 bis 2013.
Humanitäre Hilfe in komplexen Einsätzen
Lediglich sechs Länder, unter ihnen die Schweiz und Russland, befanden, dass durch den Klimawandel keinerlei Auswirkungen auf die Streitkräfte zu erwarten sind. Die größte Anzahl der untersuchten Streitkräfte rechnet dagegen mit häufigeren extremen Naturereignissen: In 27 Staaten macht dies einen Teil der Pläne aus. Diese Nationen gehen von einem verstärkten Einsatz des Militärs in der Katastrophenhilfe aus, im Inland wie im Ausland.
Die USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Rumänien und Irland erwarten außerdem, dass ihre Streitkräfte künftig humanitäre Hilfe in komplexen Einsätzen leisten werden. Solche Einsätze könnten aus einer Kombination von ökologischen und politischen Spannungen hervorgehen, wie etwa bei Wasserknappheit und gleichzeitiger Ressourcenkonkurrenz. Ein solches Szenario hätte auch wachsende Flüchtlingsströme zur Folge.
Sparsamere und klimafreundlichere Streitkräfte
Zehn Staaten planen, ihr Militär künftig sparsamer auszurichten und in Richtung Eliteeinheiten zu spezialisieren. So eingespartes Geld könnte vom Verteidigungshaushalt abgezogen und bevorzugt für Maßnahmen gegen den Klimawandel eingesetzt werden. Neun der Länder möchten die Streitkräfte selbst „grüner“ und klimafreundlicher gestalten. So gibt es in Großbritannien und den USA bereits seit Jahren Vorgaben für die Streitkräfte, den CO2-Ausstoß zu drosseln. Allerdings gelten diese Sparziele nicht für Kampfeinsätze.
Nur Großbritannien und die USA sehen ihr Militär auch durch den Klimawandel beeinträchtigt. So könnte zum Beispiel der Anstieg der Meeresspiegel marine Militärbasen in Übersee unbrauchbar machen. Die beiden Länder sind zudem die einzigen, die bisher wissenschaftliche Studien zum Thema in Auftrag gegeben haben. Insgesamt sind viele Staaten deshalb sehr unsicher, welche Folgen Klimaänderungen für das Militär haben könnten.
Keine Tendenz zur Aufrüstung
Nur vier Länder, nämlich die USA, Großbritannien, Kanada und Frankreich bereiten sich auf vermehrte militärische Auseinandersetzungen aufgrund des Klimawandels vor. „Nur Kanada hat hier bisher konkret gehandelt und mehrere Fregatten bestellt“, sagt Brzoska, und erklärt: „Als Anrainerstaat der Arktis möchte Kanada militärisch Präsenz zeigen, sollte durch das erwartete Abschmelzen des Eises hier in Zukunft ein Wettbewerb um Bodenschätze entstehen.“
Insgesamt sei eine „Versicherheitlichung“ des Themas Klimawandel ausgeblieben. „Darüber bin ich froh“, sagt Brzoska. „Denn wenn der Klimawandel verstärkt als Problem der nationalen Sicherheit gesehen würde, könnte sich die Tendenz zur Aufrüstung verstärken. Und Aufrüstung erhöht stets das Eskalationspotenzial.“
(Universität Hamburg, 20.05.2015 – AKR)