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Medizin

Mit Bakterien gegen den Krebs

Erreger helfen der körpereigenen Tumorabwehr auf die Sprünge

Salmonellen (Computergrafik) sind besonders effektiv im Kampf gegen Tumoren - sie sind jedoch auch selbst berüchtigte Erreger. © CDC / James Archer

Starthilfe für das Immunsystem: Bakterien wirken gegen Tumoren, indem sie Immunzellen aktivieren. Daraufhin ziehen sogar Zellen in den Kampf gegen den Krebs, die diese Aufgabe normalerweise anderen überlassen, wie Tierversuche deutscher Wissenschaftler zeigen. Diesen Mechanismus zu verstehen, ist ein großer Fortschritt bei der Entwicklung neuer Krebstherapien, schreiben die Forscher im „International Journal of Cancer“.

Dass eine Infektion mit Bakterien auch einen Nutzen haben kann, klingt zunächst überraschend. Bereits vor rund 150 Jahren entdeckten Mediziner jedoch, dass eine bakterielle Infektion bei Krebspatienten positive Effekte bewirkt. Für einen Einsatz der tumortötenden Bakterien in der Krebstherapie fehlte trotz vieler Fortschritte jedoch der große Durchbruch: Der zugrundeliegende Mechanismus war bislang ungeklärt. Töten von den Bakterien abgesonderte Wirkstoffe die Tumorzellen, oder sind es Biofilme der Bakterien? Und welche Rolle spielt das Immunsystem des Menschen?

Berüchtigte Erreger sind besonders effektiv

Problematisch ist eine Krebstherapie mit Bakterien auch deshalb, weil die vielversprechendsten Mikroben ausgerechnet selbst berüchtigte Krankheitserreger sind: Salmonellen zeigen eine besonders ausgeprägte Anti-Tumor-Aktivität, können aber auch zu Sepsis führen. Forscher um Christian Stern vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben sich darum genauer angeschaut, wie das Immunsystem auf die Bakterien im Tumor reagiert. Denn ist dies bekannt, so könnte sich der therapeutische Effekt der Infektion zukünftig vielleicht auch ohne Bakterien reproduzieren lassen.

Nach einer Infektion können Bakterien (grün) in den Tumor (blau) einwandern und bei seiner Bekämpfung helfen. Wichtiger sind aber die körpereigenen Immunzellen, die dadurch aktiviert werden. © HZI / Westphal

Bei Versuchen in Mäusen stellten die Wissenschaftler fest, dass die sogenannten T-Zellen des Immunsystems unerlässlich im Kampf gegen den Tumor sind. Die Bakterien selbst spielen dagegen eine viel geringere Rolle, als bisher angenommen: Sie leisten den Immunzellen lediglich eine Art Starthilfe.

Immunität gegen Tumorzellen

Die Infektion löst eine Immunreaktion aus, bei der der Botenstoff TNF-alpha freigesetzt wird. Dadurch werden im Tumor Blutgefäße zerstört und er stirbt teilweise ab. Außerdem Aktiviert dieses Signal gegen den Tumor gerichtete T-Zellen. Diese sind zwar bereits vor der Infektion vorhanden, befinden sich aber in einem Ruhezustand. Getrieben durch die Bakterien greifen sie gezielt den restlichen Tumor an und können ihn sogar komplett auflösen.

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„Geheilte Mäuse entwickeln dadurch eine spezifische Immunität gegen die Tumorzellen“, sagt Erstautor Stern. „Kommt es also erneut zu der Entwicklung desselben Tumors wie zum Beispiel bei Metastasierung, sollten diese ebenfalls abgestoßen werden.“ Bemerkenswert ist außerdem, dass auch die sogenannten T-Helferzellen allein in der Lage waren, Tumore zu zerstören. Diese haben normalerweise nur eine Vermittlerrolle und greifen nicht aktiv andere Zellen an, den direkten Kampf gegen infizierte oder entartete Zellen überlassen sie eigentlich den sogenannten zytotoxischen T-Zellen.

„Wir konnten erstmals genauer zeigen, welchen Beitrag das Immunsystem in der Bakterien-vermittelten Tumortherapie leistet“, fasst Studienleiter Siegfried Weiss vom HZI zusammen. Das dabei gewonnene bessere Verständnis sei ein großer Schritt zu einer Therapie, die eines Tages beim Menschen anwendbar sei. (Internation Journal of Cancer, 2015; doi: 10.1002/ijc.29567)

(Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 13.05.2015 – AKR)

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