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Medizin

Stadtluft schadet dem Gehirn

Erhöhte Feinstaub-Belastung führt zu schrumpfendem Hirnvolumen und stillen Schlaganfällen

Dieselabgase sind eine der Quellen von Feinstaub in der Stadt. © Kichigin/ iStock.com

Mehr Demenz durch Feinstaub? Die für Städte typische Feinstaub-Belastung wirkt sich auch auf unser Gehirn aus: Sie erhöht bei älteren Menschen das Risiko für stille Hirninfarkte und führt zu einem stärker schrumpfenden Gehirn, wie eine US-Studie nun belegt. Diese Folgen der Luftverschmutzung wiederum können Demenzen, Depressionen und kognitive Ausfälle fördern, wie die Forscher im Fachmagazin „Stroke“ berichten.

Er kommt aus Diesel-Fahrzeugen, Kohlekraftwerken und Industrieanlagen, aber auch den Holzheizungen und Kaminen von Wohnhäusern: Feinstaub. Längst ist bekannt, dass die winzigen Partikel unserer Gesundheit schaden – allein in Europa sterben jährlich 150.000 Menschen an von Feinstaub ausgelösten Lungenkrankheiten, wie erst kürzlich eine Studie ergab. Die Gesundheitsschäden beginnen dabei schon bei niedrigen Konzentrationen unter dem Grenzwert.

Elissa Wilker vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston und ihre Kollegen haben nun untersucht, welche Folgen die Feinstaub-Belastung auf das Gehirn hat. Sie untersuchten dafür 900 über 60-Jährige, die in unterschiedlicher Entfernung von großen Straßen lebten und damit verschieden hoher Belastung mit Feinstaub von 2,5 Mikrometern Größe ausgesetzt waren (PM 2,5) . In Hirnscans bestimmten sie das Volumen einzelner Hirnareale und suchten nach Indizien für Blutgerinsel und kleine Hirninfarkte.

Messbare Schäden schon bei geringem Anstieg

Tatsächlich fanden die Forscher deutliche Effekte des Feinstaubs: Die Probanden, die höheren Feinstaub-Belastungen ausgesetzt waren, hatten im Durchschnitt ein geringeres Hirnvolumen, Anzeichen für eine erhöhte Schrumpfung der Gehirnmasse und mehr sogenannte stille Hirninfarkte – kleine Schlaganfälle, die von den Betroffenen nicht gemerkt werden.

Wie die Wissenschaftler berichten, gab es sogar einen linearen Zusammenhang zwischen Belastung und Folgen: Für jeden Anstieg der Feinstaubbelastung um zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft hatten die Probanden ein 46 Prozent höheres Risiko für stille Schlaganfälle. Ihr Hirnvolumen entsprach zudem dem eines ein Jahr älteren Menschen. Je höher die Belastung, desto „älter“ war demnach das Gehirn der Teilnehmer.

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Erhöhtes Risiko für Demenz

„Das ist besorgniserregend“, sagt Wilker. „Denn wir wissen, dass stille Infarkte das Risiko für größere Schlaganfälle, aber auch für Demenz, Koordinationsprobleme und Depression erhöhen.“ Wie die Studie zeige, reiche schon die für die meisten Städte typische Feinstaub-Belastung aus, um eine beschleunigte Alterung des Gehirns und stille Infarkte hervorzurufen.

Noch ist unklar, über welche Mechanismen der Feinstaub auf das Gehirn wirkt, wie die Forscher erklären. Sie vermuten aber, dass die winzigen Partikel, die sich in der Lunge ablagern, eine systemische, sich auf den gesamten Körper auswirkende Entzündung auslösen. In weiteren Untersuchungen wollen sie nun den Effekt des Feinstaubs auf das Gehirn genauer erforschen. (Stroke, 2015; doi: 10.1161/STROKEAHA.114.008348)

(Beth Israel Deaconess Medical Center, 27.04.2015 – NPO)

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