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Materialforschung

Stärkstes Material der Natur entdeckt

Nanokristalle verleihen den Zähnen von Napfschnecken ihre ungewöhnliche Stärke

Die Zähne der Napfschnecke - winzig, aber enorm stabil © University of Portsmouth

Klein, aber oho: Die winzigen Zähnchen der Napfschnecken haben sich als das stärkste bekannte biologische Material entpuppt. Es widersteht selbst dem Druck von mehr als einer Million Atmosphären, wie Tests nun belegen. Diese Festigkeit verdankt das Biomaterial Nanokristallen, die in eine organische Matrix eingebettet sind. Diese Struktur könnte zum Vorbild für neuen Verbundmaterialien werden, wie die Forscher im Fachmagazin „Interface“ berichten.

Auf den ersten Blick sind sie eher unscheinbar und langweilig: Napfschnecken gehören bisher nicht gerade zu den Stars unter den Meerestieren. Meist sitzen sie wie festgeklebt auf Felsen oder Holz im Brandungsbereich des Meeres, ihr napfförmiges Haus überdeckt ihren Körper dabei komplett. Die Zunge der Schnecke ist mit feinen, knapp einen Millimeter großen Zähnchen besetzt, mit der sie Algen von der Unterlage abweidet.

Kraft von einer Million Atmosphären

Und genau diese Zähnchen haben es in sich, wie nun Asa Barber von der University of Portsmouth und seine Kollegen herausfanden. Sie untersuchten, welchen Kräften die Zähne der Napfschnecke Patella vulgata standhalten können. Dafür präparierten sie die Zähnchen ab und schnitten das Material in Scheibchen, hundertfach dünner als ein menschliches Haar. Deren Stabilität maßen sie nun mit Hilfe eines Rasterkraftmikroskops sowohl in seitlicher wie auch in Längsrichtung.

Das Ergebnis war verblüffend: „Bisher dachten wir, dass die Spinnenseide das stärkste biologische Material ist, aber jetzt haben wir entdeckt, dass die Zähne der Napfschnecken eine noch höhere potenzielle Kraft entfalten“, sagt Barber. „Sie sind das bisher stärkste bekannte biologische Material und das einzige, das mit den stärksten künstlich hergestellten Karbonfasern vergleichbar ist.“ Das Zahnmaterial widerstand Kräften von rund 120 Gigapascal, bevor es brach – das entspricht dem 1,2 Millionenfachen des atmosphärischen Drucks.

Auf der Raspelzunge der Napfschnecke sitzen die Zähnchen hinteineinander aufgereiht © University of Portsmouth

Nanokristalle verleihen die Festigkeit

Die Ursache für die ungewöhnliche Festigkeit der Napfschnecken-Zähne liegt in ihrem Material: Sie bestehen aus einer organischen Matrix, in die Nanokristalle aus Goethit eingebettet sind – einem eisenhaltigen Mineral. „Wir haben entdeckt, dass die Goethit-Fasern genau die richtige Größe besitzen, um das Verbundmaterial so widerstandsfähig zu machen“, erklärt Barber.

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Und noch etwas Besonderes hatten die Zähnchen: Ihre Stärke blieb gleich, egal wie lang das belastete Scheibchen war. „Normalerweise hat eine größere Struktur mehr Fehlstellen und bricht daher schneller als eine kleinere Struktur“, erklärt Barber. „Die Napfschnecken brechen diese Regel, denn ihre Zähne bleiben gleich stabil, egal wie groß die Materialprobe ist.“

Inspiration für neue Materialien

Nach Ansicht der Forscher könnte das Zahnmaterial der Napfschnecken Vorbild für neue künstliche Materialien werden. „Das Material könnte man in den Karosserien von Rennwagen, Bootsrümpfen oder Flugzeugteilen nutzen“, so der Forscher. „Denn Ingenieure sind immer daran interessiert, etwas zu finden, dass diese Bauteile stabiler und gleichzeitig leichter macht.“ Die Natur sei da eine große Quelle der Inspiration. (Royal Society Journal Interface, 2015; doi: 10.1098/rsif.2014.1326)

(University of Portsmouth, 18.02.2015 – NPO)

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