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Astronomie

Sonnensystem: Knapper Vorbeiflug eines Sterns

Vor 70.000 Jahren flog ein Roter Zwerg durch die äußere Oortsche Wolke

Scholz' Stern und sein Begleiter, ein Brauner Zwerg im Außenbereich des Sonnensystems © Michael Osadciw/ University of Rochester

Nur knapp vorbei: Vor rund 70.000 Jahren ist ein fremder Stern durch die Außenbezirke unseres Sonnensystems gewandert. Der Rote Zwerg zog dabei durch die äußere Oortsche Wolke und könnte sogar als heller Lichtpunkt für unsere Vorfahren sichtbar gewesen sein. Kein anderer bekannter Stern ist unserem Sonnensystem jemals so nahe gekommen, berichten Astronomen im Fachmagazin „Astrophysical Journal Letters“.

Heute ist Scholz’ Stern – offizieller Name WISE J072003.20-084651.2 – ein kleiner Roter Zwerg, rund 20 Lichtjahre von der Erde entfernt. Gemeinsam mit einem Braunen Zwerg bewegt er sich durch die Konstellation Einhorn (Monocerus). Aufgefallen ist dieser Stern den Astronomen, weil er sich trotz seiner relativ großen Nähe zu uns kaum zu bewegen schien. „Eine so geringe tangentiale Bewegung deutet entweder darauf hin, dass er auf das Sonnensystem zusteuert oder aber sich direkt von ihm wegbewegt“, erklärt Eric Mamajek von der University of Rochester.

Naher Vorbeiflug vor 70.000 Jahren

Er und seine Kollegen gingen der Sache nach und überprüften die Flugbahn des Sterns mit Hilfe von spektralen Messungen seines Lichts. „Und tatsächlich: Die Messungen sprachen dafür, dass er sich aus der Umgebung der Sonne wegbewegte – er musste in der Vergangenheit nahe am Sonnensystem vorbeigeflogen sein“, so Mamajek.

Das Sonnensystem, der Kuipergürtel und die Oortsche Wolke © Jedimaster/ CC-by-sa 3.0

Aber wie nahe? Um das herauszufinden fütterten die Astronomen ein Modell mit den Daten zur Flugbahn und Geschwindigkeit von Scholz‘ Stern und drehten damit virtuell die Zeit zurück. Das Ergebnis: Bei 98 Prozent der 10.000 verschiedenen simulierten Bahnen flog der Stern vor rund 70.000 Jahren direkt durch die äußerer Oortsche Wolke – die ringförmige Ansammlung von Eis- und Gesteinsbrocken, die unser Sonnensystem umgibt und wahrscheinlich bis zu 100.000 astronomische Einheiten hinausreicht.

Wie die Astronomen erklären, führte die Sternenpassage aber vermutlich zu keinen größeren Störungen in der Oortschen Wolke. Der Rote Zwerg besitzt nur rund acht Prozent der Sonnenmasse und hat daher im Verhältnis zu ihr nur eine geringe Schwerkraftwirkung. In der dünn besiedelten Region, durch die er flog, wird sich diese daher kaum ausgewirkt haben.

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Lichtblitze in der Oortschen Wolke

Der Rote Zwerg passierte vor 70.000 Jahren unser System „nur“ 52.000 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt, dies entspricht rund 0,8 Lichtjahren, wie die Forscher berichten. Das ist der nächste Abstand, in dem nach heutigen Wissen je ein Stern unser Sonnensystem passierte. Der zweitnächste ist der Stern HIP 85605, der in 240.000 bis 470.000 Jahren an unserem System vorbeifliegen wird.

Während Passage war Scholz‘ Stern die meiste Zeit zu lichtschwach, um von der Erde aus gesehen zu werden. Doch weil er ein starkes Magnetfeld besitzt, könnte er ab und zu aufgeblitzt haben und wäre dann für Minuten bis Stunden zehntausend Mal heller als gewöhnlich. Unsere Vorfahren könnte den Lichtpunkt daher durchaus mit nacktem Auge am Himmel gesehen haben, wie die Astronomen erklären. (Astrophysical Journal Letters, 2015; doi: 10.1088/2041-8205/800/1/L17 )

(University of Rochester, 18.02.2015 – NPO)

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