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Zoologie

Schimpansen können ihre Sprache ändern

Soziales Umfeld beeinflusst die Lautäußerungen auch unserer nächsten Verwandten

Schimpanse Louis gehört zu der "einheimischen" Gruppe aus dem Zoo von Edinburgh, mit tiefen Grunzlauten für "Äpfel". © Jamie Norris

„Völkerverständigung“ unter Primaten: Ziehen Schimpansen in Gefangenschaft um, so passen sie ihre Grunzlaute an die ihrer neuen Gefährten an, wie Biologen beobachtet haben. Die Fähigkeit, Sprache an das soziale Umfeld anzupassen, galt bislang als ausschließlich menschlich. Die neuen Erkenntnisse deuten aber darauf hin, dass schon der gemeinsame Vorfahr von Menschen und Schimpansen den Grundstein für eine flexible Sprache legte, berichten die Wissenschaftler im Journal „Current Biology“.

Die Sprache gehört zu den Merkmalen, die den Menschen von anderen Tieren unterscheidet: Damit sind wir in der Lage, Objekte und Ereignisse mit spezifischen Lauten und Symbolen zu beschreiben. Diese Worte erlernen wir in unserem sozialen Umfeld. Ändert sich dieses Umfeld, so wandelt sich auch die Sprache: Entweder wir lernen neue Worte, oder ganze Dialekte und Sprachen befinden sich im Wandel.

Schimpansen-Rufe: Instinktiv oder sozial geprägt?

Gerade diese Veränderlichkeit der Sprache galt bislang als menschliches Privileg. Manche Tiere können zwar durchaus „Worte“ verwenden: So verwenden Schimpansen bestimmte Laute für unterschiedliche Nahrung, oder auch um sich gegenseitig zu warnen. Aber bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass diese Rufe rein instinktiv festgelegt sind und sich nicht mit dem sozialen Umfeld ändern. Als ausschlaggebend galt vielmehr der Gemütszustand der Affen, etwa aufgeregtes Kreischen als Warnung und erfreutes Schreien bei leckerem Futter.

Beobachtungen an Schimpansen im Zoo von Edinburgh haben diese Annahme nun eindrucksvoll widerlegt. Wissenschaftler um Stuart Watson von der Universität York haben dort mitverfolgt, wie sich eine Gruppe von sechs „ortsansässigen“ Schimpansen über den Verlauf von drei Jahren mit sieben „zugereisten“ Affen aus dem niederländischen Safaripark Beekse Bergen anfreundete.

Die Rufe der aus den Niederlanden "zugereisten" Schimpansen wie Frek klangen ursprünglich viel höher. © Jamie Norris

Soziale Nähe bewirkt Veränderung

Schon am Anfang stellten die Forscher fest, dass die zwei Schimpansengruppen unterschiedliche Grunzlaute verwendeten, wenn sie sich auf Äpfel bezogen: Die Rufe der Affen aus Beekse Bergen klangen deutlich höher. Außerdem hatten sie unterschiedliche Vorlieben für Äpfel. Über drei Jahre hinweg ähnelten sich die verwendeten Laute jedoch immer mehr. „Es ist recht einfach zu hören, wie unterschiedlich die zwei Gruppen 2010 Äpfel bezeichneten, und wie die niederländischen Individuen ihr Grunzen bis 2013 so geändert hatte, dass es mehr wie das der Individuen aus Edinburgh klang“, beschreibt Watson.

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So klingen die Rufe der Schimpansen für Äpfel (.wav):

Frek (Beekse Bergen) 2010

Lucy (Edinburgh) 2010

Frek (Beekse Bergen) 2013

Lucy (Edinburgh) 2013

Diese Veränderung geschah allerdings nicht sofort: Ein Jahr nach dem Umzug der Schimpansen von Beekse Bergen nach Edinburgh war noch nichts davon zu hören. Ausschlaggebend war, dass die Affen sich erst kennenlernen und soziale Kontakte knüpfen mussten. Bis 2013 hatten sich enge Freundschaften zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen gebildet – und mit der sozialen Nähe setzte auch die Anpassung der „Apfel“-Rufe ein. Die individuellen Vorlieben der Schimpansen für Äpfel änderten sich dabei jedoch nicht.

Gemeinsames Erbe mit dem Menschen

Dies belegt den Forschern zufolge, dass die Rufe nicht allein instinktiv und funktional, sondern auch sozial geprägt sind. Dass auch Schimpansen ihre Sprache bewusst an ein geändertes soziales Umfeld anpassen können, ist den Forschern zufolge ein gemeinsames Erbe mit dem Menschen. Der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpansen und Menschen vor fünf bis sieben Millionen Jahren hätte diesen „Grundstein der Sprache“ demnach ebenfalls geteilt.

Bei den Schimpansen in Edinburgh ist allerdings noch unklar, aus welchem Grund sie ihre Rufe geändert haben, wie Koautor Simon Townsend von der Universität Zürich erläutert: „Ist es, um besser verstanden zu werden, oder um mehr wie ihre Freunde zu klingen?“ Unbekannt ist auch, wie sich solche Veränderungen in freier Wildbahn vollziehen: Dort hätten sich zwei gemischt-geschlechtliche Gruppen erwachsener Schimpansen nie zusammengetan. Ob und wie sich die Rufe einzelner Weibchen ändern, wenn sie von einer Gruppe zu einer anderen ziehen, könnte in Zukunft Informationen hierüber liefern. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2014.12.032)

(Universität Zürich / University of York / Cell Press, 06.02.2015 – AKR)

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