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Medizin

Hochwirksames neues Antibiotikum entdeckt

Bodenbakterien liefern "vielversprechenden Kandidaten" für neue Medikamente

Neue Waffe gegen Krankheitserreger: Mit einer neuen Kultivierungsmethode haben US-Forscher ein neuartiges Antibiotikum entdeckt. Der Wirkstoff stammt aus einem zuvor unbekannten Bodenbakterium und ist hochwirksam gegen verschiedenste Keime, darunter der Erreger der Tuberkulose und der gefährliche Krankenhauskeim MRSA. Das Antibiotikum scheint außerdem nur wenig anfällig gegenüber einer Resistenzbildung zu sein, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature“.

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Die meisten heute gängigen antibiotischen Wirkstoffe haben schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, denn sie wurden bereits in den 1940er- bis 1960er Jahren entdeckt. Forscher isolierten sie aus Schimmelpilzen und anderen leicht kultivierbaren Bodenmikroben. Doch dieses Reservoir ist inzwischen ausgeschöpft, neue Antibiotika sind Mangelware. „Die Antibiotika-Resistenz verbreitet sich heute schneller als wir neue Wirkstoffe in die klinische Praxis einführen können“, erklären Losee Ling von NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge und seine Kollegen. Die aufwändige Suche nach neuen antibiotischen Wirkstoffen ist außerdem für viele Pharma Unternehmen nicht wirtschaftlich: Um die Resistenzbildung in Grenzen zu halten, werden neue Antibiotika nur sparsam eingesetzt und daher auch wenig verkauft.

Bakterienzucht auf Chips im Boden

Doch angesichts des immer gravierenderen Problems resistenter Erreger hat die Suche nach neuen Wirkstoffen an Fahrt gewonnen. Als vielversprechendstes Reservoir für neue Wirkstoffe gelten dabei die unzähligen im Boden vorkommenden Bakterienformen. Antibiotische Wirkstoffe helfen ihnen, sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen. Leider aber sind 99 Prozent dieser Bakterien nicht im Labor kultivierbar – ihre Wirkstoffe lassen sich daher kaum näher untersuchen.

Ling und seinen Kollegen ist es nun jedoch gelungen, dieses Problem mit einer eleganten Methode zu umgehen: Sie entwickelten einen mehrkammerigen Chip, in dem einzelne Zellen von Bodenbakterien isoliert und im Boden selbst vermehrt werden können. Dafür wird eine Bodenprobe so stark verdünnt auf den Chip gegeben, dass in jeder Kammer nur eine Zelle liegt. Das Ganze wird dann mit semipermeablen Membranen verschlossen und wieder in den Boden gelegt. Sind aus den Zellen Kolonien herangewachsen, lassen sich diese im Labor auf ihre antibiotische Wirkung hin untersuchen.

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Hochwirksam gegen viele Erreger

Die Forscher testen mit Hilfe dieses Chips rund 10.000 verschiedene Isolate darauf, ob sie Wirkstoffe gegen das Bakterium Staphylococcus aureus enthielten. Bei einem neu entdeckten Bodenbakterium wurden sie fündig: Eine aus dem Bakterien-Extrakt isolierte Verbindung, Teixobactin, erwies sich als hochwirksam gegen verschiedenste gram-positive Bakterien, darunter den Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis, das Milzbrandbakterium Bacillus anthracis, den Durchfall-Erreger Clostridium difficile und resistente Krankenhauskeim MRSA. In Versuchen mit Mäusen reichte schon eine niedrig dosierte Gabe des neuartigen Antibiotikums aus, um die Tiere vor dem fast sicheren Tod durch MRSA zu bewahren, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig ist das Teixobactin für Säugetierzellen nicht giftig.

„Teixobactin ist ein vielversprechender Kandidat für ein Therapeutikum“, konstatieren Ling und seine Kollegen. Zudem sei eine schnelle Entwicklung von Resistenzen gegen diesen Wirkstoff nicht zu befürchten. Denn Teixobactin greift die Bakterien an, indem es Lipid-Moleküle zerstört, die für deren Zellwandaufbau notwendig sind. Als Folge platzen die Zellen auf und sterben.

Weitere Fahndung lohnt sich

Gegen diesen Angriff, der noch dazu mehrere Zielmoleküle im Visier hat, fällt es Bakterien schwerer, Resistenzen zu entwickeln als gegen Wirkstoffe, die sich nur gegen ein Protein richten, wie die Forscher erklären. Bei dem Antibiotikum Vancomycin, das einen ähnlichen Wirkmechanismus besitzt wie Teixobactin, dauerte es mehr als 30 Jahre, bis die ersten resistenten Erreger auftraten. „Beim noch besser geschützten Teixobactin wird es wahrscheinlich noch länger dauern, bis Resistenzen auftauchen“, so Ling und seine Kollegen.

Für die Forscher ist diese Neuentdeckung aber nur die erste von vielen weiteren, die sie erwarten: „Unsere Studie spricht dafür, dass Organismen wie die bisher unkultivierten Bakterien noch mehr neue antimikrobielle Wirkstoffe in sich bergen.“ Denn die bakterienreiche Umgebung des Bodens hat im Laufe der Zeit wahrscheinlich dazu geführt, dass viele Mikroben Waffen gegen ihre Konkurrenten entwickelt haben – vor allem solche, die diese nicht so einfach wieder austricksen können. Eine weitere Fahndung nach neuen Antibiotika im Boden lohnt sich daher ihrer Ansicht nach auf jeden Fall. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14098)

(Ling et al., Nature, 08.01.2015 – NPO)

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