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Neurobiologie

Was macht Kinder großzügig?

Erst die Kombination aus Moralgefühl und dem Begreifen der Regeln lässt Kinder fair handeln

Ein Kind freut sich über sein Weihnachtsgeschenk - aber wird es auch teilen? © freeimages

Weihnachten ist die Zeit des Schenkens – vor allem für Kinder. Aber wenn es darum geht, die Geschenke mit Geschwistern zu teilen, bricht oft Streit aus. Warum es gerade kleineren Kindern so schwer fällt, großzügig zu sein und auch mal abzugeben, haben US-Forscher nun untersucht. Das Ergebnis: Ob etwas richtig oder falsch ist, erkennen die Kinder quasi instinktiv. Danach handeln tun sie aber erst, wenn sie auch vom Verstand her die Regeln begreifen. An diesem Punkt sind daher die Eltern gefragt, so die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

Wir Menschen haben von Natur aus einen ausgeprägten Sinn für Fairness und gerechte Verteilung. Schon 15 Monate alte Kleinkinder reagieren, wenn in einem Video beispielsweise Kekse ungerecht zwischen zwei Personen geteilt werden. Doch das bedeutet nicht, dass sie auch danach handeln. Stattdessen neigen sie bis ins Vorschulalter dazu, egoistisch zu handeln – selbst wenn das strategisch unklug ist.

Der Grund dafür liegt gängiger Theorie nach in ihrem Gehirn: Es ist schlicht noch nicht weit genug entwickelt, um der Versuchung zu egoistischem Handeln zu widerstehen. Erst im Laufe der Schulzeit ändert sich dies und die Kinder lernen, dass sich Großzügigkeit und uneigennütziges Handeln lohnen kann.

Moralische Cartoons

Ob und wie sich dies konkret äußert, haben Jason Cowell und Jean Decety von der University of Chicago nun an 57 Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren untersucht. In ihrem Experiment setzten sie den kleinen Probanden eine Elektrodenkappe auf, um ihre Hirnströme abzuleiten. Dann folgte der erste Test: Sie spielten den Kindern mehrere kurze Cartoonszenen vor. In diesen verhielt sich ein Protagonist entweder prosozial – er half einem anderen oder teilte Süßigkeiten mit ihm – oder er handelte unfair und böse, indem er seinen Partner schubste oder schlug.

Wie sich zeigte, lösten diese Szenen zwei verschiedene Reaktionen im Gehirn der Kinder aus: eine emotionale, automatische Antwort und eine erst später einsetzende verstandesmäßige Bewertung. „Die moralische Einschätzung bei Kindergartenkindern ist demnach komplex und sowohl durch Gefühle als auch durch den Verstand geprägt“, sagt Decety.

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Grundschulkinder © SXC

Emotion allein reicht nicht

In einem zweiten Test erhielt das Kind zehn bunte Bildchen und dazu die Information, dass das als nächstes in den Raum kommende Kind keine Bildchen bekommen würde. Die Forscher wollten sehen, ob die kleinen Teilnehmer spontan einen Teil ihrer Bildchen abgeben würden – und wie viel. Tatsächlich teilten die meisten Kinder und gaben zumindest ein oder zwei Bildchen ab.

Wie großzügig sie handelten, ließ sich dabei sogar vorhersagen, wie die Forscher berichten: Je stärker die verstandesmäßige Reaktion im vorgehenden Test ausfiel, desto großzügiger waren die Kinder. Das passt sehr gut zu dem Annahmen der Theorie: Auch wenn Kinder schon von klein auf quasi instinktiv erkennen, was richtig und falsch ist, handeln sie nur dann danach, wenn sie auch kognitiv erfassen und bewerten können, warum das so ist.

Erziehung macht den Unterschied

Diese Erkenntnis hat durchaus handfeste Bedeutung für Weihnachten, Geschenke und die Erziehung von Kindern, wie Decety erklärt: „Indem wir Kinder dazu ermutigen, über das moralische Verhalten von anderen nachzudenken, fördern wir ihre Großzügigkeit und ihre Fähigkeit, fair zu handeln“, so die Forscherin. Denn je mehr Kinder sich der moralischen Regeln bewusst sind, desto besser können sie ihr instinktives Erkennen von richtig und falsch auch umsetzen.

Im Prinzip bestätigen die Forscher damit die altbewährte Praxis von Eltern, ihre Kinder immer wieder zum Teilen anzuhalten. (Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.11.002)

(Cell Press, 23.12.2014 – NPO)

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