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Umwelt

Mehr Ozonsmog durch Gasförderung

Typisch sommerliche Luftbelastung entsteht in Gas- und Ölfeldern auch bei kaltem Wetter

Ozonsmog im Winter: Sonnenuntergang über einem Gas- und Ölfeld im Uintah Basin in Utah. © Scott Sandberg, NOAA

Untypische Luftverschmutzung: In Öl- und Gasfeldern im US-Bundesstaat Utah treten besonders hohe Ozon-Werte im Winter auf – dabei ist bodennahes Ozon eine typische Umweltbelastung der Sommermonate. Verantwortlich sind die bei der Förderung austretenden Ozon-Vorläufersubstanzen und besondere Wetterbedingungen, erklären Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Bei zunehmender Gasförderung – auch durch Fracking – könnte dies zu einem größeren Problem werden.

Ozon ist ein Molekül mit zwei „Persönlichkeiten“: In den oberen Schichten absorbiert diese Form des Sauerstoffs gefährliche UV-Strahlung und schützt das Leben auf der Erdoberfläche davor. Allerdings ist Ozon auch chemisch sehr reaktiv, geradezu aggressiv. In Bodennähe ist Ozon daher ein gefährlicher Luftschadstoff. Dieses bodennahe Ozon entsteht vor allem aus Stickoxiden, die reichlich in Auto- und Industrieabgasen vorkommen.

Bei starkem Sonnenschein setzt eine chemische Reaktion ein, deren Ergebnis die steigenden Ozonwerte sind – es handelt sich also um eine typischen Smog-Bestandteil während des Sommers. Kinder, alte Menschen und Patienten mit Atemproblemen sollten sich bei hohen Ozonwerten nicht im Freien aufhalten, und körperliche Anstrengungen sollte man vermeiden. Im Winter sind hohe Ozonwerte eine absolute Ausnahme: Das spärlichere Sonnenlicht reicht normalerweise nicht aus, um die nötigen Reaktionen in Gang zu bringen.

Doppelt so oft jenseits der Grenzwerte

Auf Öl- und Gasfeldern im US-Bundesstaat Utah fanden Wissenschaftler um Stephen Brown von der National Oceanographic and Atmospheric Administration (NOAA) dennoch extreme Werte: Im Winter 2013 etwa überstieg der Ozongehalt der Luft bis zu 49 Mal die Grenzwerte. Das ist rund doppelt so häufig wie in den dichtbesiedelten Regionen Kaliforniens im Sommer, während der „normalen Ozonsaison“. Die höchsten Ozonwerte registrierten die Forscher dabei immer dann, wenn das Wetter besonders kalt und schneereich war.

Wie kann es zu diesen Ausreißer-Werten zur untypischen Jahreszeit kommen? Um dies herauszufinden, kontrollierten und analysierten die Forscher über drei Jahre hinweg die Luft in der Umgebung der Gas- und Ölförderanlagen im Uintah Basin im Norden von Utah. Wie sich herausstellte, ist es ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die den Winter-Ozonsmog verursachen.

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Feldlabor zur Analyse der Luftqualitätim Uintah Basin. © Steven Brown, NOAA ESRL

Dieselben Zutaten, ein anderer Zündfunke

Besonders auffällig waren sehr hohe Konzentrationen an sogenannten flüchtigen organischen Verbindungen (VOC, engl. „volatile organic compounds“). Die US-Umweltschutzbehörde EPA schätzt, dass etwa 97 Prozent der VOC vor Ort bei der Öl- und Gasförderung austreten. Wie die Untersuchungen zeigten, spielen diese flüchtigen Verbindungen für die Entstehung des ungewöhnlich hohen Winter-Ozonsmogs eine entscheidende Rolle.

Unter den winterlichen Bedingungen bilden sich aus den reichlich vorhandenen VOC sogenannte Carbonyle. Diese wiederum bilden mit den Stickoxiden zusammen Ozon. Die Menge an VOC ist dabei so hoch, dass dies sogar – anders als im Sommer – bei trockener Luft und weniger starkem Sonnenlicht geschieht. Durch die Carbonyle werden auch die gegenüber dem klassischen Sommersmog geringere Mengen an Stickoxiden äußerst effizient zu Ozon umgesetzt. „Es sind dieselben Anfangszutaten, aber ein anderer Zündfunke“, erklärt Brown.

Winter-Ozonsmog auch in anderen Regionen?

Die Messungen zeigen, dass Winter-Ozonsmog und hohe VOC-Werte eine Begleiterscheinung der Gas- und Ölförderung sein können. Insbesondere Erdgas erfährt in den USA zurzeit einen Aufschwung – mit Fracking als neuer Fördermethode schießen noch immer neue Gasbrunnen aus dem Boden. Neben der bereits bekannten Gefahr für das Grund- und Trinkwasser kommt nun eine neue Art der Luftverschmutzung hinzu.

Erdgasfackel im Uintah Basin. Austretende Chemikalien fördern die Ozonbildung im Winter. © Scott Sandberg, NOAA

Nach Ansicht der Forscher könnte diese Form des neuen Winter-Ozonsmogs künftig auch in anderen Regionen auftreten, in denen Fracking und andere Formen der Gasförderung intensiviert werden. „Die Förderung von Schiefergas in anderen Regionen der hohen und gemäßigten Breiten wie Kontinentaleuropa oder Großbritannien hätte das gleiche Potenzial“, warnen sie.

Sie hoffen, dass ihre Ergebnisse auch dazu beitragen, betroffene Regionen bei Gegenmaßnahmen zu unterstützen: „Staatliche und regionale Luftreinhaltungsbehörden, die sich mit solchen Ozonepisoden konfrontiert sehen, können unsere Ergebnisse heranziehen, um entsprechende Maßnahmen zu entwickeln,“ so VOC-Experte Joost de Gouw von der NOAA. „Die Resultate können der Industrie helfen, die Luftgütestandards in diesen Gebieten einzuhalten.“

(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13767)

(National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), 02.10.2014 – AKR)

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