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Geowissen

Mond: Rätsel um Ozean der Stürme gelöst

GRAIL-Mission weist erstmals urzeitliche Grabenbrüche auf dem Erdtrabanten nach

So könnte der Grabenbruch an der Nordseite des Ozeans der Stürme ausgeshen haben, als er aktiv war © NASA/GSFC/JPL, Colorado School of Mines, MIT

Lava statt Impakt: Der dunkle, von der Erde aus sichtbare Ozean der Stürme auf dem Mond ist keine riesige Einschlagssenke wie bisher gedacht. Stattdessen ließen gewaltige Krustenrisse einst Lava aus dem Untergrund quellen. Darauf deuten spaltenförmige Schwerkraft-Anomalien hin, die die Sonden der NASA-Mission GRAIL enthüllten. Diese urzeitlichen Grabenbrüche sind nicht nur die ersten auf dem Mond entdeckten, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Sie erklären auch, warum dieses Mondmeer so anders aussieht als die übrigen.

Sie prägen das typische Aussehen des Vollmonds am Nachthimmel: Große dunkle Flecken, die sogenannten Mondmeere. Diese lunaren Maria galten bisher alle als Überreste von urzeitlichen Einschlägen: Asteroiden durchschlugen die Kruste des jungen Mondes, daraufhin füllten sich diese Senken mit frischer Basaltlava und dadurch erscheinen sie bis heute dunkler als das umgebende Terrain. Proben, die Apollo-Astronauten im Mare Serenitatis und im Mare Imbrium nahmen, bestätigten diese Theorie.

Rätselhafte Abweichungen

Allerdings: Für den Oceanus Procellarum, mit 3.200 Kilometer Durchmesser eines der größten der Mondmeere, gilt dies nicht. Zu viele Merkmale passen nicht ins Bild einer Einschlagssenke. So ist der „Ozean der Stürme“ nicht rund, sondern eher hufeisenförmig, außerdem fehlen der typische Randwall aus Impakttrümmern und auch die vom Krater ausgehenden Rillen, die durch ausgeschleudertes Material verursacht werden.

Neue Auswertungen von Daten der NASA-Mission GRAIL haben nun weitere Diskrepanzen zutage gefördert – und handfeste Indizien für eine ganz andere Ursache dieses Riesenbeckens geliefert. Jeffrey Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines in Golden hatten für ihre Studie Messdaten zur lunaren Schwerkraft ausgewertet, die die beiden Raumsonden der GRAIL-Mission gesammelt hatten.

Die Topografie des Oceanus Procellarum (links) und die Ergebnisse der Schwerkraftmessungen. Deutlich sind die urzeitlichen Rifts rund um das Mondmeer zu erkennen. © NASA/GSFC/JPL, Colorado School of Mines, MIT

Spuren urzeitlicher Grabenbrüche

Und diese Ergebnisse zeigten weitere Anomalien im Ozean der Stürme: „Statt einer zentralen Schwerkraft-Anomalie wie bei allen anderen Einschlagssenken, sehen wir im Oceanus Procellarum lineare Strukturen, die ein gewaltiges Rechteck formen“, berichtet Koautor James Head von der Brown University in Providence. Die Merkmale dieser Strukturen sprechen nach Ansicht der Forscher dafür, dass es sich um Relikte urzeitlicher Spalten in der Mondkruste handelt – ähnlich denen, die an den Grenzen auseinanderweichender Platten auf der Erde auftreten.

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An diesen alten, mehrere Kilometer breiten Rifts ist die Mondkruste ausgedünnt – das lässt sie in den Schwerkraftmessungen hervortreten und spricht dafür, dass hier einst Spalten existierten und die Mondkruste auseinander gewichen ist. „Diese Strukturen sind damit die einzigen Strukturen auf dem Mond, die auf großräumige Grabenbrüche in der Mondkruste hindeuten – Prozesse, die auf Erde, Venus und Mars häufig sind“, erklären die Forscher.

Hier sind die urzeitlichen Grabenbrüche über einer Ansicht des heutigen Mondes aufgetragen. © Kopernik Observatory, NASA/GSFC/JPL, Colorado School of Mines, MIT

Erkalten riss die Kruste auf

Was aber bedeutet dies für die Entstehung des Ozeans der Stürme? Nach Ansicht von Andrews-Hanna und seinen Kollegen spielte dafür die Zusammensetzung der Kruste an dieser Stelle eine wichtige Rolle. Als die Mondkruste erkaltete, blieb die Region um den Oceanus Procellarum länger heiß und flüssig, denn sie enthielt besonders viele Elemente wie Uran, Thorium und Kalium, die das Abkühlen bremsten, wie die Forscher erklären.

Vor drei bis vier Milliarden Jahren begann dann auch die Kruste im Ozean der Stürme zu erstarren und zog sich dabei zusammen. Weil das umgebende Gestein jedoch bereits fest war, konnte es die entstehenden Spannungen nicht ausgleichen und es entstanden Risse – die von den Forschern jetzt nachgewiesenen Grabenbrüche. Durch sie drang glühende Gesteinsschmelze aus tieferen Schichten nach oben und flutete das Becken mit Lava. Diese erstarrte und bildete die heute noch sichtbare dunkle Basaltschicht in der Senke.

Geologie statt Einschlag

„Wir halten dies für eine wirklich gute und testbare Alternative zur Einschlagstheorie“, konstatiert Head. „Alles was wir hier sehen spricht dafür, dass interne Kräfte für die Bildung des Oceanus Procellarum verantwortlich waren.“ Die neuen Beobachtungen liefern damit nicht nur eine mögliche Erklärung dafür, warum das Meer der Stürme so anders ist als die umgebenden Mondmeere, sie zeigen auch, in welchem Maße geologische Prozesse die Oberfläche eines planetaren Himmelskörpers verändern können. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13697)

(Brown University/ Nature, 02.10.2014 – NPO)

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