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Astronomie

Sonneneruptionen im Computer

Neues Modell beschreibt entstehende Strahlungsausbrüche

Diese Sonneneruption wurde mit einer Kamera des Nasa-Satelliten SDO am 10. Juni 2014 aufgenommen. © NASA/SDO/gemeinfrei

Was haben Sonneneruptionen mit Börsenkursen gemeinsam? Ein neues Computermodell beschreibt präzise, wie die gigantischen Ausbrüche auf der Sonne entstehen. Wissenschaftler aus der Schweiz nutzten dafür eine Methode, die auch Lawinen oder den Aktienmarkt beschreiben kann. Ihr Modell ist ein erster Schritt zur Vorhersage von Sonnenstürmen, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Communications“.

Bei Sonneneruptionen werden ungeheure Energiemengen freigesetzt, die millionenfach grösser sind als bei Vulkanexplosionen. Bei starken Explosionen kommt es oft zu einem Masseausstoß von Plasma aus dem äußersten Teil der Sonnenatmosphäre, der Korona. Trifft ein solcher koronaler Massenauswurf auf die Erde, kann er einen geomagnetischen Sturm auslösen. Schwere Stürme können Satelliten, den Funkverkehr und elektrische Anlagen stören. Als im Herbst 2003 einige der bisher stärksten Eruptionen auf der Sonne registriert wurden, fiel in Südschweden der Strom aus, und Flugrouten mussten umgeleitet werden, weil Kommunikationsverbindungen über den Polregionen zusammenbrachen.

Stoßweise Entladung

Forscher um Hans Jürgen Herrmann von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich haben untersucht, was bei den Explosionen auf der Sonne geschieht. In einem Computermodell konnten sie die statistische Größenverteilung und zeitliche Abfolge der Eruptionen mit beeindruckender Übereinstimmung nachbilden. Dabei sei die Sonne eigentlich gar nicht sein übliches Forschungsthema, sagt Herrmann. Der theoretische Physiker ist Fachmann für Computerphysik und hat eine Methode entwickelt, mit der sich Phänomene aus verschiedensten Gebieten untersuchen lassen: Ähnliche Muster wie bei Sonneneruptionen findet man bei Erdbeben, Lawinen oder auch dem Börsenmarkt.

Allerdings verhalten sich diese Vorgänge lediglich ähnlich: „Natürlich haben die Sonnenexplosionen keinen Zusammenhang mit den Börsenkursen“, sagt Herrmann. Doch all diese Systeme können sich gewissermaßen verhaken, bis ein bestimmter Schwellenwert erreicht ist – dann entladen sie sich. Im Falle der Sonne mit einer gewaltigen Eruption, beim Börsenmarkt droht ein Kurseinbruch. Die Masse oder Energie, die man in ein System stecke, werde also nicht kontinuierlich wieder abgegeben, sondern stoßweise, erklärt Herrmann.

Eine Sonneneruption mit koronalem Massenauswurf am 31. August 2012 verfehlte die Erde nur knapp. © NASA

Selbstorganisation um kritischen Zustand

Die Fachleute sprechen von selbstorganisierter Kritizität. Ein Beispiel dafür ist ein Sandhaufen, auf den Körner herabrieseln. Der Haufen wächst, bis sich ab und zu eine Lawine löst. Kleinere Rutschungen sind häufiger, große seltener. Über lange Zeiten betrachtet bleibt der Haufen gleich hoch, er organisiert sich selbst um einen kritischen Zustand.

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Bei Sonneneruptionen wird magnetische Energie, die sich aufgestaut hat, plötzlich frei gesetzt. Die Sonne besteht aus einem heißem Plasma aus Elektronen und Ionen. Aus der Sonnenoberfläche, Photosphäre genannt, wachsen Magnetfeldlinien bis in die Sonnenkorona heraus. Es bilden sich Bündel aus Feldlinien, sogenannte Magnetfeldschläuche, die sich bewegen und verdrehen. Überkreuzen sich zwei Schläuche, so vereinigen sie sich in einer Explosion, bei der grosse Mengen elektromagnetischer Strahlung entweichen. Das betreffende Gebiet auf der Sonne leuchtet hell auf, eine Sonneneruption oder „Solar Flare“. Die Strahlung erstreckt sich über das gesamte elektromagnetische Spektrum von Radiowellen über sichtbares Licht bis zu Röntgen- und Gammastrahlen. Bei koronalen Massenauswürfen treten oft, aber nicht immer auch solche Flares auf.

Erster Schritt zur Vorhersage

Die Eruptionen lassen sich mit dem neuen Computermodell äußerst genau berechnen: „Uns ist es gelungen, das gesamte Bild, wie die Solar Flares auftreten, wiederzugeben“, sagt der Forscher. Mit wochenlangen Rechnungen auf einem Supercomputer konnte das Team zeigen, dass sein Modell immer korrekte Resultate lieferte, auch wenn Details wie beispielsweise die Zahl der Magnetschläuche oder die Energie des Plasmas geändert wurden. Im Gegensatz zu den früheren Versuchen anderer Forscher stimmten die Resultate auch quantitativ mit den Beobachtungen überein.

Aus ihren Berechnungen schliessen die Wissenschaftler: „Die Turbulenz und die Wechselwirkung zwischen den Magnetschläuchen sind die wesentlichen physikalischen Bestandteile, die das Auftreten der Solar Flares kontrollieren.“ Dieser Nachweis von zeitlich-energetischen Zusammenhängen sei der erste Schritt für ein Vorhersagemodell. Doch Herrmann warnt: „Unsere Aussagen sind statistisch.“ Man könne deshalb nur Wahrscheinlichkeiten voraussagen. Prognosen einzelner Ereignisse seien nicht möglich.

(Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms6035)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 24.09.2014 – AKR)

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