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Geowissen

Frühe Erde war weniger höllisch als gedacht

Zirkonkristalle aus Island deuten auf überraschend milde Zustände im Hadaikum hin

Von Vulkanismus zerrissen und mit geschmolzenem Gestein bedeckt: So sah nach verbreiteter Vorstellung die Erde im Hadaikum aus. Tatsächlich waren die Zustände wahrscheinlich wesentlich milder. © USGS / gemeinfrei

Lava-Ozean oder flüssiges Wasser? Die ersten 500 Millionen Jahre der Erdgeschichte waren offenbar nicht so extrem und lebensfeindlich wie bisher angenommen. US-Forscher haben isländische Zirkonkristalle mit solchen aus der Frühgeschichte der Erde verglichen. Sie untermauern nun die Theorie: Die frühe Erde war überraschend milde – verglichen mit dem heutigen Island.

Die Erde vor über vier Milliarden Jahren war nach gängiger Vorstellung ein wahrhaft höllischer Ort: Nahezu ununterbrochen von Meteoriten bombardiert, von heftigem Vulkanismus zerrissen und bedeckt von einem regelrechten Ozean aus glühendem, geschmolzenem Gestein. Tatsächliche Nachweise für diese Zustände existieren jedoch nicht, denn es gibt kaum geologische Spuren aus den ersten 500 Millionen Jahren unseres Planeten: Praktisch alle im sogenannten Hadaikum entstandenen Gesteine sind seither verwittert oder durch Plattentektonik wieder aufgeschmolzen.

Zirkone: Früheste Zeitzeugen der Erdgeschichte

Vor etwa 30 Jahren entdeckten Geologen jedoch tatsächlich gewissermaßen Zeitzeugen des Hadaikums: Winzige Zirkonkristalle, die an plattentektonischen Grenzen entstehen und sogar die Umwälzprozesse im Erdinneren überstehen können, bevor sie in neu entstehende Bereiche der Erdkruste eingebettet werden. Diese Zirkone deuteten bereits auf ein anderes Bild hin, denn sie entstehen nur, wenn flüssiges Wasser vorhanden ist. Dieses wiederum setzt eine stabile Atmosphäre voraus. War die frühe Erde also gar nicht so höllisch wie bis dahin angenommen? Herrschten im Hadaikum möglicherweise sogar ähnliche Zustände wie in unserer Zeit?

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Zirkonen aus Island. Die Größe beträgt wenige Tausendstelmillimeter bis Zehntelmillimeter. © Tamara Carley / Vanderbilt

Dazu gibt es derzeit zwei vorherrschende Theorien: Nach der ersten war die Erde im Hadaikum der heutigen überraschend ähnlich, mit einer festen Kruste und flüssigem Wasser an der Oberfläche, möglicherweise sogar bereits ganzen Ozeanen. Die zweite Theorie geht von einem unfreundlicheren Bild aus. Zwar war die hadaische Erde demnach weit entfernt vom Bild des großflächigen Magma-Ozeans, aber immer noch ein fremdartiger und vor allem ungemütlicher Ort der Extreme.

Gleicht Island der hadaischen Erde?

Zirkonkristalle könnten Aufschluss darüber geben, welche Theorie näher an der Wahrheit liegt. Wenn die heutige Erde tatsächlich der Erde vor über vier Milliarden Jahren ähnelt, sollten auch in jüngerer Zeit ähnliche Zirkone entstehen. Es liegt nahe, die hadaischen Zirkone mit solchen zu vergleichen, die unter derartigen Extrembedingungen heutzutage entstehen. Aber welcher Ort auf unserem Planeten könnte das Hadaikum derartig repräsentieren?

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Als beliebtes Beispiel für einen derart „hadaischen“ Ort in unserer Zeit führen Geologen Island an: Hier driften zwei Kontinentalplatten auseinander, Magma steigt aus der Tiefe auf und bildet stetig neue Erdkruste. Der Prozess ist begleitet durch heftige vulkanische Aktivität, die sich gerade in diesen Tagen am Vulkan Bárðarbunga wieder eindrucksvoll beobachten lässt.

Tamara Carley von der Vanderbilt University in Nashville hat darum zusammen mit ihren Kollegen isländische Zirkone genauer untersucht. Etwa tausend Zirkonkristalle von wenigen Tausendstelmillimetern bis zu etwa einem Zehntelmillimeter Größe analysierten die Forscher, um deren Alter und ihre Zusammensetzung zu bestimmen. Die Proben stammen aus unterschiedlichen Regionen Islands und liefern ein geologisches Bild der rund 18 Millionen Jahre langen Geschichte der Insel. Ihre Analysen verglichen die Wissenschaftler mit veröffentlichten Beschreibungen von Zirkonen aus dem Hadaikum sowie von anderen zeitgenössischen Fundorten.

Kerlingarfjöll in Island: Manche Geologen vergleichen die frühe Erde mit Regionen wie dieser. © Tamara Carley / Vanderbilt

Island: Heißer als im Hadaikum

Diesen Vergleichen zufolge eignet sich Island nicht als Bild für die Zustände im Hadaikum: Die isländischen Zirkone sind offenbar einzigartig. „Wir haben entdeckt, dass sich die isländischen Zirkone ziemlich von an anderen Orten der modernen Erde gebildeten Kristallen unterscheiden,“ sagt Carley. „Wir fanden auch heraus, dass sie in bemerkenswert unterschiedlichem Magma entstanden, verglichen mit dem Magma, das die hadaischen Zirkone hervorbrachte.“

Der wichtigste Unterschied: Die isländischen Zirkone entstanden offenbar in viel heißerem Magma als die hadaischen. Im beiden Fällen spielte flüssiges Oberflächenwasser eine bedeutende Rolle. Auf Island, dem Ort der Extreme, traf jedoch viel heißeres Wasser auf das geschmolzene Gestein. Im Hadaikum war die Wassertemperatur bei der Entstehung der Zirkone deutlich niedriger.

„Unsere Schlussfolgerung ist nicht gerade eingängig“, gibt Studienleiter Calvin Miller zu. „Hadaische Zirkone entstanden aus Magma, das dem aus heutigen Subduktionszonen ähnelt, aber offenbar noch „kühler“ und „nasser“ war als das heute entstehende.“ Ist Island also ungemütlicher, als es das Hadaikum je war? Dies spräche dafür, dass im Hadaikum in der Tat überraschend milde Bedingungen vorherrschten. Zumindest isländisches Magma scheint als Vergleich für die Zustände der frühen Erde ungeeignet: Es ist zu extrem.

(Earth and Planetary Science Letters, 2014; doi: 10.1016/j.epsl.2014.08.015)

(Vanderbilt University, 16.09.2014 – AKR)

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