Anzeige
Informatik

Quantencomputer im Diamant

Neues Konzept soll fehlerresistente und miniaturisierte Quantencomputer ermöglichen

Ein neues Quantencomputer-Konzept soll die leistungsfähigen Rechner massentauglich machen. © TU Wien

Quantencomputer in der Hosentasche? Eine neue Architektur für Quantensysteme soll es ermöglichen, Quantencomputer ähnlich zu miniaturisieren, wie das auch bei klassischen Computerchips gelang. Wissenschaftler schlagen dazu ein neues System aus in Diamant eingebetteten Stickstoffatomen vor. Ein tatsächlicher Computer nach diesem Prinzip liegt zwar noch in ferner Zukunft, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Physical Review X“, aber das neue Modell soll entscheidend zur Massenproduktion solcher Rechenmaschinen beitragen.

Quantencomputer ist so etwas wie der Heilige Gral der Quantentechnologie – bereits seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler daran, quantenmechanische Systeme für logische Berechnungen zu verwenden. Derartige Computer wären bisherigen Rechnern um ein Vielfaches überlegen, wenn zahlreiche Rechenoperationen in möglichst kurzer Zeit zu bewältigen sind: „Ein Bit in einem gewöhnlichen Computer kann immer nur entweder den Wert null oder eins annehmen“, erklärt Jörg Schmiedmayer von der Technischen Universität Wien. „In der Quantenphysik sind allerdings Überlagerungen verschiedener Zustände erlaubt – ein Quanten-Bit (QBit) kann sich daher im Zustand null und gleichzeitig im Zustand eins befinden, wodurch sich fantastische Rechenkapazitäten ergeben würden.“

Quantencomputer brauchen Fehlerkorrektur

Praktisch umsetzen kann man solche Überlagerungszustände mit unterschiedlichen Systemen – etwa mit Ionen, die man in elektromagnetischen Fallen festhält oder mit supraleitenden QBits. Schmiedmayer und seine Kollegen schlagen nun eine neue Architektur für solche Quantensysteme vor: In einem hauchdünnen Diamantplättchen wird an mehreren Stellen jeweils ein einzelnes Stickstoff-Atom eingebaut, dessen Spin verschiedene Zustände annehmen kann. Jedes Stickstoffatom zwischen zwei Spiegeln gewissermaßen eingesperrt. Über Glasfaserleitungen lässt sich dieses Quantensystem aus Spiegeln und Diamant durch Lichtsignale manipulieren.

Jedes einzelne dieser Systeme aus Spiegeln, Diamant und eingebautem Stickstoff-Atom kann ein QBit an Information tragen – also null, eins, oder eine beliebige Überlagerung davon. Doch ein solches QBit ist extrem instabil. Um die Information zuverlässig zu verarbeiten, sind spezielle Quantenfehlerkorrektur-Verfahren nötig. „Verwendet man Fehlerkorrekturen, kommt man beim Speichern eines Quanten-Bits nicht mehr in einem einzelnen Quantenteilchen aus“, sagt Michael Trupke von der Technischen Universität Wien, „man braucht eine komplizierte Architektur aus vielen miteinander verbundenen Systemen.“

Quanten-Operationen, die auf Stickstoffatomen in Diamant basieren, werden an der TU Wien bereits durchgeführt, weitere Experimente sind in Vorbereitung. © TU Wien

Viereinhalb Milliarden Quantensysteme

Das Forschungsteam berechnete dazu, wie man die einzelnen Elemente aus Spiegeln und Diamanten mit Stickstoffatomen zu einem fehlerresistenten zweidimensionalen Quantensystem zusammenfügen könnte, einem sogenannten „topologisch geschützten Quantencomputer“. Nach den Berechnungen wären etwa 4,5 Milliarden dieser Quantensysteme nötig, um zum Beispiel den Algorithmus „Shor-2048“ auf dem Quantencomputer laufen zu lassen, mit dem Primfaktoren von 2048-Bit-Zahlen berechnet werden können.

Anzeige

Diese gewaltige Zahl an Quanten-Elementen ist bei allen Quantencomputer-Architekturen notwendig, egal ob man mit Ionenfallen, supraleitenden QBits oder mit Stickstoff-Spins in Diamanten arbeitet. „Bei unserer Architektur weiß man allerdings im Prinzip, wie man sie verkleinern kann. Sie hat ein großes Potenzial zur Miniaturisierung und Massenproduktion“, meint Koautor Michael Trupke. „Es gibt heute ganze Industriezweige, die mit Diamanten arbeiten, die Forschung schreitet hier rasch voran.“

Miniaturisierung und Massenproduktion

Trupke vergleicht die Situation der Quantencomputer-Forschung mit der frühen Computertechnik: „Als man die ersten Transistoren herstellte, konnte man sich auch noch nicht vorstellen, wie es je gelingen kann, Milliarden von ihnen auf einem Chip unterzubringen, und heute tragen wir solche Chips in der Hosentasche mit uns herum.“ In ähnlicher Weise könnten die Stickstoff-Spins im Diamant eine Verkleinerung von Quantencomputern ermöglichen. Die Forscher arbeiten daher nun daran, kleinere Versionen ihrer Architektur experimentell herzustellen.

„Es gibt noch viele Probleme zu lösen, aber die Verschaltung von Stickstoff-Spins in Festkörpern zeigt zumindest einen Weg auf, der aus heutiger Sicht zum Quantencomputer führen könnte,“ so Trupke. Auch wenn die Implementierung eines Algorithmus wie Shor-2048 noch in ferner Zukunft liegen dürfte – die Verschränkung von Bauelementen zu größeren Cluster-Zellen sollte in den nächsten Jahren bereits gelingen. „Letztlich kommt es darauf an, ob wir es schaffen, die Quantentechnologie in ein Zeitalter der Massenproduktion und Miniaturisierung zu führen“, sagt Jörg Schmiedmayer. „Ich sehe keine physikalischen Gesetze, die uns prinzipiell davon abhalten sollten.“

(Physical Review X, 2014; doi: 10.1103/PhysRevX.4.031022)

(Technische Universität Wien, 07.08.2014 – AKR)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Graphen - Wundermaterial in zwei Dimensionen

Bücher zum Thema

Quarks, Atome, Moleküle - Auf der Jagd nach den kleinsten Bausteinen der Welt von Gerhard Staguhn

Nanotechnologie für Dummies - Spannende Entdeckungen aus dem Reich der Zwerge von Richard D. Booker und Earl Boysen

Skurrile Quantenwelt - von Silvia Arroyo Camejo

Würfelt Gott? - Ein außerirdisches Gespräch zwischen Physik und Theologie von Arnold Benz und Samuel Vollenweider

Top-Clicks der Woche