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Zoologie

Bonobo-Weibchen pubertieren früher

Frühere Pubertät ermöglicht mehr Zeit für soziale Kontakte

Solea (links), ein fünfjähriges Bonobomädchen, lebt in LuiKotale in der Demokratischen Republik Kongo. Maimouna (rechts) ist ein fünfjähriges Schimpansenmädchen aus dem Taï Nationalpark an der Elfenbeinküste. © links: Sean Lee, LKBP; rechts: Liran Samuni

Frühreife Affen: Bonobo-Weibchen erreichen die Pubertät bereits drei Jahre früher als weibliche Schimpansen – und das, obwohl die Bonobos sonst als Spätzünder gelten. Nachwuchs bekommen sie zwar nicht früher als ihre nahen Verwandten, aber die frühe Pubertät hat einen anderen Nutzen, wie deutsche Wissenschaftler herausgefunden haben: Die Bonobo-Weibchen haben mehr Zeit, sexuelle Erfahrungen zu sammeln.

Wie beim Menschen setzt auch bei Schimpansen und Bonobos beim Heranwachsen die Pubertät ein: Hormonschübe fördern das Wachstum, die sekundären Geschlechtsmerkmale bilden sich heraus und aus dem Kind wird ein ausgewachsenes Individuum. Aus biologischer Sicht ist die Pubertät der Startschuss für das Rennen um die erfolgreiche Weitergabe der eigenen Gene an zukünftige Generationen. Wann genau die Kindheit endet und der Übergang zum Erwachsenen einsetzt, hängt unter anderem von Genen, Umweltbedingungen, Ernährung und sozialen Faktoren ab.

Testosteron-Sprung zur Pubertät

Beim Menschen sind die pubertären Veränderungen bereits gut erforscht, und auch über männliche Schimpansen gibt es bereits Untersuchungen. Über Bonobos und weibliche Schimpansen war in dieser Hinsicht bisher jedoch wenig bekannt. Wissenschaftler um Verena Behringer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben zu diesem Zweck den Testosteron-Gehalt in Urinproben von jeweils über hundert Bonobos und Schimpansen untersucht, sowohl von Weibchen als auch Männchen. Die produzierte Menge des Geschlechtshormons Testosteron steigt ganz wie beim Menschen auch bei den Affen sprunghaft an, sobald in der Pubertät die Geschlechtsreife eintritt.

Das Ergebnis war überraschend: Bonobo-Weibchen erreichen die Pubertät bereits im Alter von fünf Jahren. Damit sind sie drei Jahre schneller als ihre Männchen, die erst mit acht Jahren pubertieren. Dabei gelten Entwicklungsprozesse bei den Bonobos ansonsten als verzögert im Vergleich zu Schimpansen. Bei diesen jedoch sind beide Geschlechter ebenfalls erst mit etwa acht Jahren geschlechtsreif, die Weibchen sogar im Durchschnitt ein wenig später als die Männchen.

Kein früher Nachwuchs durch frühe Pubertät

Dennoch produzieren die Bonobo-Weibchen ihren ersten Nachwuchs nicht früher: „Es wäre zu erwarten, dass weibliche Bonobos, deren Pubertät früher einsetzt, ihr erstes Kind auch früher bekommen als Schimpansinnen“, sagt Erstautorin Behringer. „Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein.“

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Es bleibt also die Frage nach dem Nutzen der frühen Pubertät bei den Bonobo-Weibchen. Die Wissenschaftler haben jedoch eine mögliche Erklärung: Die weiblichen Bonobos können sich so bereits zwei bis drei Jahre früher als die Schimpansinnen auf die Suche nach einer neuen Gruppe machen, der sie sich anschließen. Die Weibchen beider Arten verlassen nämlich mit Eintritt der Geschlechtsreife ihre Geburtsgruppe, um mit einer anderen Gruppe von Tieren zu leben.

Sex appeal motiviert Männchen

Dieses Abwandern in neues, unbekanntes Terrain sorgt für einen durchmischten Genpool, ist aber für die Weibchen mit hohen Kosten und Risiken verbunden: Bei den Schimpansen stößt ein neues Gruppenmitglied als zusätzlichem Konkurrenten um begrenztes Futter nicht immer auf Gegenliebe. Bonobos dagegen empfangen die Neulinge eher mit Neugier als mit Aggression. Die einsetzende Pubertät verleiht den Weibchen zudem „Sex appeal“ und motiviert die Männchen, die neuen Weibchen vor aggressivem Verhalten anderer Gruppenmitglieder zu schützen.

Die weiblichen Bonobos haben durch ihre frühe Pubertät deutlich mehr Zeit, sich in die neue Gruppe einzuleben: „Mögliche Vorteile, die der frühe Eintritt in die Pubertät weiblichen Bonobos bringt, sind ein größerer Aktionsradius bei der Suche nach einen neuen Gruppe sowie mehr Zeit, um soziale Erfahrungen zu sammeln und ihre Sexualität zu entwickeln“, fasst Behringer zusammen. „Letztere ist ein zentrales Element im Sozialverhalten der Bonobos, mit dem sie viele Konflikte lösen.“

(Hormones and Behavior, 2014; doi: 10.1016/j.yhbeh.2014.07.011)

(Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, 29.07.2014 – AKR)

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