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Chemie

Ein atmender Käfig für Edelgase

Neues Käfigmolekül fängt selektiv Edelgase aus der Luft

Das Edelgas Xenon ist bisher nur unter großem Aufwand zu gewinnen. © Jurii / CC-by-sa 3.0

Faszinierende Falle: Forscher haben ein Molekül entdeckt, das Edelgase wie Xenon und Krypton buchstäblich einatmet. Das käfigförmige Gebilde dehnt sich aus und lässt dabei Xenon in seinen Hohlraum, dann zieht es sich zusammen und das Edelgas bleibt einschlossen. Filter aus diesem Material könnten die bisher aufwändige Xenon-Gewinnung billiger und einfacher machen, aber auch bei der Isolierung anderer Substanzen helfen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Materials“ berichten.

Edelgase sind chemisch inert, sie reagieren kaum mit anderen Elementen. Das aber macht es schwer, Xenon, Krypton oder Radon einzufangen oder gezielt aus der Luft zu entfernen. Problematisch ist dies vor allem beim radioaktiven Radon, das oft von uranhaltigem Gestein ausgedünstet wird und so die Keller und Fundamente von Wohnhäusern kontaminieren kann. Es macht aber auch die Gewinnung von Xenongas teuer. Denn dafür muss die Luft so weit herunter gekühlt werden, dass Sauerstoff flüssig wird und sich das Xenon darin löst. Das aber ist aufwändig und teuer.

Deshalb suchten Linjiang Chen von der University of Liverpool und seine Kollegen nach einer Methode, mit der sich Edelgase ohne Kühlung einfangen lassen. Ihr Augenmerk richtete sich dabei auf eine bestimmte Gruppe exotischer Materialien, die sogenannten porösen organischen Käfigmoleküle. Sie bestehen aus mehreren Untereinheiten, die jeweils einen Hohlraum einschließen – den Käfig.

Ein Molekül, das atmet

Eines dieser Moleküle, CC3, haben die Forscher nun genauer analysiert und mit Hilfe von Computermodellen auf ihre Eignung als Xenonfänger geprüft. Das Besondere an CC3: Es atmet. Von Natur aus dehnt sich das Molekül ab und zu leicht aus, um sich dann wieder zusammenzuziehen. „Wir wissen, dass das CC3 dies tut, sind aber bisher nicht sicher warum“, erklärt Koautor Praveen Thallapally vom Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) in Richland.

Die violetten Kugeln zeigen, wo im zusammengesetzten CC3-Molekül Xenonatome Platz haben. © Chen et al. / Nature Materials

Wie sich zeigte, werden die Lücken im CC3-Käfig beim Einatmen genau so groß, dass ein Xenon-Atom hindurchschlüpfen kann. Zieht sich der Käfig dann wieder zusammen, verengen sich die Öffnungen gerade so weit, dass das Xenon gefangen ist. Ähnliches gilt auch für Radon, wie die Forscher berichten. Zwar sind die Lücken im CC3-Käfig nur etwa sieben Prozent der Zeit offen, das aber reicht aus, damit mehr Xenon hineingelangt als hinaus. Insgesamt kann ein Molekül CC3 drei Edelgas-Atome in sich aufnehmen.

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Xenon aus der Luft geschnappt

Wie effektiv dieser atmende Xenon-Fänger ist, haben die Wissenschaftler im Experiment getestet: Sie leiteten Luft durch eine CC3-Probe und maßen die Konzentration der einzelnen Gaskomponenten vorher und hinterher. Das Ergebnis: Während Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und Argon ungehindert passierten, wurde Xenon zurückgehalten. Erst mit 15 minütiger Verzögerung ließen die Molekülkäfige das Edelgas wieder frei.

„Wir waren positiv überrascht, wie leicht CC3 das Edelgas aus dem Gasstrom entfernte“, sagt Thallapally. Hinzu kam, dass die Molekülkäfige sehr selektiv für Xenon sind: Sie fangen Xenon 20 Mal häufiger ein als das etwas kleinere Edelgas Krypton. Hinzu kommt, dass das ganze bei Raumtemperatur funktioniert, eine aufwändige Kühlung ist nicht nötig.

Anwendungen in Chemie und Pharmazie

Nach Ansicht der Forscher könnten sich die CC3-Käfige daher für eine ganze Reihe von Anwendungen eignen: Bei der Aufbereitung von Kernbrennstäben wird radioaktives Xenon und Krypton frei. Dieses ließe sich durch Filter aus CC3 aus der Luft auffangen und herausfiltern. Auch die Xenongewinnung für Narkosegase und andere medizinische Zwecke könnte so einfacher und billiger werden.

Das Käfigmolekül könnte aber auch dabei helfen, Molekülgemische zu trennen, bei denen die Moleküle in zwei spiegelbildlichen Varianten vorliegen. Gerade bei Medikamenten erweist sich oft nur eine davon als wirkungsvoll, daher müssen sie mit teils aufwändigen Methoden getrennt werden. Erste Versuche zeigen, dass auch hier das CC3 eingesetzt werden könnte, wie die Forscher berichten. (Nature Materials, 2014; doi: 10.1038/NMAT4035)

(DOE/ Pacific Northwest National Laboratory, 21.07.2014 – NPO)

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