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Geowissen

Atlas zeigt Schwermetalle in Europas Böden

Nur stellenweise starke Belastung, aber deutliches Nord-Südgefälle

Satellitenaufnahme von Europa © NASA / gemeinfrei

Arsen im Süden, Silizium im Norden: Wissenschaftler haben die Acker- und Wiesenböden in Europa auf den Gehalt von über 50 chemischen Elementen überprüft und kartiert. Der entstandene Atlas liefert eine Fülle an Informationen über die europäischen Böden: Von ihrer Entstehungsgeschichte über mögliche Gesundheitsrisiken bis hin zu forensischen Hinweisen – sogar Scotland Yard ist interessiert.

Enthält die Erde unter meinen Füßen gesundheitsgefährliche Schwermetalle? Wenn ja – stammen sie aus dem Boden selbst, oder aus menschengemachten Verunreinigungen? Ist der Boden geeignet für den Getreideanbau, oder eher als Weideland? Solche und ähnliche Fragen soll das Projekt „Geochemical Mapping of Agricultural and Grazing Land Soil“ (GEMAS) beantworten: Dabei handelt es sich um einen Atlas, in dem der Gehalt von über 50 chemischen Elementen aus landwirtschaftlich genutzten Böden in ganz Europa dargestellt ist.

Sichtbarer Einfluss des Menschen

Für die Erstellung dieses Atlas haben Wissenschaftler von über 60 beteiligten Einrichtungen und Organisationen Bodenproben aus 33 europäischen Ländern gesammelt. Insgesamt 2.108 Ackerproben und 2.023 Grünlandproben analysierten sie auf die Konzentrationen der gewählten Elemente und kartierten sie. Das Resultat ist ein ganzer Satz von Landkarten, der die Elementgehalte aller Landwirtschaftsböden in ganz Europa darstellt.

Der Einfluss des Menschen ist auf den Karten des Atlas stellenweise sichtbar: Ein deutlich erhöhter Gehalt an Quecksilber im Boden markiert die Städte London, Paris, Rotterdam und Kiew. Blei, aber auch Silber und Gold liegen um diese Großstädte ebenfalls vermehrt vor. Abgesehen von solchen lokal erhöhten Werten, so zeigt der Atlas, breiten sich die Schadstoffe jedoch nicht sehr weit aus: Die Konzentration der Spurenelemente nimmt mit der Entfernung von der Quelle sehr schnell ab.

Womöglich aus diesem Grund ist bei weitem nicht jede Großstadt oder industrielle Gegend auf den geochemischen Karten direkt erkennbar: Die Zahl der genommenen Proben reicht noch nicht aus, um jedes Kohlekraftwerk und jeden Hochofen anhand der Spurenelemente in ihrer direkten Umgebung abzubilden. Abgesehen von den erkennbaren Industriezentren gibt es beruhigenderweise nur wenige Orte, an denen giftige Spurenelemente in landwirtschaftlichen Böden bedenkliche Konzentrationen erreichen. Einige Bodenproben zeigten jedoch stark erhöhte Werte an Kupfer. Diese Proben stammten fast alle aus Weinbergen – Kupferhaltige Pestizide sind hier die Quelle des Metalls.

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Mangelerscheinungen und Vergiftungen

Gleichzeitig beobachteten die Forscher jedoch ein gegenteiliges Problem: Über zehn Prozent der Proben enthielten so wenige Spurenelemente, dass beim Anbau von Pflanzen und der Aufzucht von Vieh auf dem jeweiligen Boden sogar Mangelerscheinungen drohen. Der GEMAS-Atlas kann also auch dabei helfen, dem richtigen Boden auch den richtigen Verwendungszweck zuzuordnen.

Viehzucht oder Ackerbau - die Bodenqualität is entscheidend © freeimages

Kupfer beispielsweise ist in vielen europäischen Böden eher selten, besonders im Ostseeraum sowie Teilen von Frankreich und Spanien ist das Metall Mangelware im Boden. Kupfermangel hat bei Rindern schwere gesundheitliche Folgen, bis hin zu Organversagen und Tod. Zu viel Molybdän im Boden kann diesen Mangel noch verstärken. Ein weiteres Beispiel ist das sehr unregelmäßig verteilte Spurenelement Selen. Fast überall in Europa enthalten die Böden sehr wenig davon. Eine Ausnahme bildet Irland: Der Wind bringt hier vom Atlantik so viel neue Einträge, dass es beim Weidevieh sogar zu Selenvergiftungen kommen kann.

Von besonderem Interesse sind auch mögliche forensische Anwendungsbereiche: Die enthaltenen Elemente liefern Anhaltspunkte, von welchem Boden ein bestimmtes Nahrungsmittel stammt. Sogar die Heimatregion eines Menschen könnte sich so bestimmen lassen. Scotland Yard hat bereits Interesse an den Datensätzen gezeigt.

Geochemisches Nord-Süd-Gefälle

Besonders deutlich springt auf einigen der Karten ein Unterschied zwischen Nord- und Südeuropa ins Auge: Eine scharfe Trennlinie folgt der südlichen Grenze der Vereisung der letzten Eiszeit. Südlich dieser Linie fanden die Wissenschaftler zwei- bis dreimal so hohen Konzentrationen an Arsen, Cobalt, Gold, Kupfer, Lithium, Mangan und Nickel in den Bodenproben wie nördlich davon. Die Böden in Skandinavien, Norddeutschland, Polen und den baltischen Staaten lagen lange unter diesem Eisschild und sind daher geologisch gesehen noch sehr jung. Die südeuropäischen Böden dagegen sind älter und enthalten daher mehr Metalle aus den stärker verwitterten Grundgesteinen.

Das jeweils zugrunde liegende Gestein lässt sich am Boden darüber erkennen: In der Moränenlandschaft entlang der Ostseeküste beispielsweise herrschen silikatreiche Sedimente aus der Eiszeit vor – entsprechend hoch ist der Siliziumgehalt der Böden. Kreide und Kalkstein wiederum führen zu einem höheren Gehalt an Kalzium – die spanische Mittelmeerküste, Sizilien und das italienische Festland zeigen hier deutliche Flecken auf der Karte.

Auch unerwartete Ergebnisse kamen so zu Tage: Besonders fruchtbare Lössböden sind in Mittel- und Osteuropa offenbar häufiger als bisher angenommen – das Element Zirkonium brachte die Forscher auf diese Spur. Bekannte Erzlagerstätten wiederum verursachen höhere Konzentrationen des entsprechenden Metalls in den Landwirtschaftsböden.

(Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), 11.07.2014 – AKR)

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