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Umwelt

Flammschutzmittel aus dem Meer

Auch marine Bakterien produzieren toxische Umwelthormone

Lebensraum Ozean: Auch Bakterien produzieren Umweltgifte © freeimages

Umweltgifte – nicht nur menschengemacht: Zahlreiche Meeresbakterien produzieren eine Klasse von Giftstoffen, die dem Menschen als Flammschutzmittel dienen, haben US-Forscher herausgefunden. Bislang galt allein der Mensch als verantwortlich für die Belastung des Meeres mit diesen Stoffen. Genetische Untersuchungen sollen nun weitere Informationen liefern, woher die Gifte stammen und wie sie sich in der Nahrungskette verteilen, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature Chemical Biology“.

Die Ozeane unseres Planeten sind durch anhaltende Umweltverschmutzung zunehmend belastet mit Giftstoffen aller Art. Besonders tückisch unter den angesammelten Umweltgiften sind die sogenannten endokrinen Disruptoren, oft auch als „Umwelthormone“ bekannt: Dabei handelt es sich um Schadstoffe, die in die Umwelt gelangen und hormon-ähnliche Wirkungen auf lebende Organismen haben können. Langfristige Schäden durch den gestörten Hormonhaushalt sind mögliche Folgen.

Bislang ausschließlich dem Menschen zugeschrieben

Ein Teil dieser Umweltgifte stammt jedoch offenbar nicht ausschließlich aus menschlicher Herstellung: Eine große Gruppe von Meeresbakterien produziert ebenfalls eine Stoffklasse, die in den Ozeanen bislang ausschließlich der Verschmutzung durch den Menschen zugeschrieben wurde – sogenannte Polybromierte Diphenylether (PBDE). Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Bradley Moore von der University of California in San Diego hat anhand genetischer Untersuchungen entdeckt, dass diese PBDE von Bakterien in den unterschiedlichsten marinen Lebensräumen ausgeschieden werden, von Sedimenten über Seegras und Algen bis hin zu Korallenstöcken.

Dem Menschen sind PBDE schon länger bekannt: Als Zusatz in Textilien, Dämmstoffen und elektronischen Bauteilen erhöhen sie die Temperatur, bei der die Gegenstände Feuer fangen. Als Brandschutzmittel sind sie daher sehr effektiv. Sie sind allerdings auch starke endokrine Disruptoren. So wirkt einer der von Moore und Kollegen in den Bakterien identifizierten PBDE wie das aktivste menschliche Schilddrüsenhormon.

Überraschend und ein wenig beunruhigend

„Wir finden es sehr überraschend und auch ein wenig beunruhigend“, so Moore, „dass Flammschutzmittel-ähnliche Chemikalien auch biologisch von im Meer verbreiteten Bakterien synthetisiert werden.“ PBDE werden nämlich nur sehr langsam in der Natur abgebaut. Im Körper lagern sie sich im Fettgewebe ein und reichern sich so in der Nahrungskette an. Bei vielen US-Amerikanern und Kanadiern sind bestimmte PBDE nachweisbar, obwohl sie seit Jahren nicht mehr in Autos oder Alltagsgegenständen vorkommen – gerade weil sie so giftig und beständig sind, werden sie heute nur noch selten verwendet.

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Im Fettgewebe von Meeressäugern wie Walen und Robben sind die Flammschutzmittel besonders stark präsent. Dort gelten sie sogar als eine der möglichen Ursachen für die schwindenden Bestände. Bislang gingen Wissenschaftler allerdings davon aus, dass die in den Meeressäugern nachgewiesenen PBDE einzig und allein das Ergebnis steigender Ozeanverschmutzung durch den Menschen seien. Den neuen Ergebnissen zufolge könnten die Bakterien mitverantwortlich sein.

Großräumige Suche nach anderen Quellen

Wie hoch der Anteil der bakteriell produzierten Umwelthormone ist, ist noch unklar. Daher wollen die Wissenschaftler noch andere mögliche Quellen der Schadstoffe finden. Dazu durchsuchten sie Gen-Datenbanken und fanden zehn Gene, die an der Synthese von Umwelthormonen beteiligt sind. Dabei fanden sie auch heraus, dass die Bakterien nicht nur PDBE produzieren, sondern mehr als 15 artverwandte Stoffe.

„Der nächste Schritt ist, großräumig im marinen Lebensraum nach diesen Genen zu suchen“, erklärt Erstautor Vinayak Agarwal von der Universität San Diego.“ Anhand der so identifizierten Produzenten erhoffen die Forscher sich weitere Erkenntnisse, wie sich die Stoffe in der Nahrungskette verteilen.

(Nature Chemical Biology, 2014; doi: 10.1038/nchembio.1564)

(University of California, San Diego Health Sciences, 01.07.2014 – AKR)

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