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Informatik

Süßeste Rechenmaschine der Welt

Chemischer Computer nutzt fluoreszierende Zuckerlösungen für Rechenoperationen

"Zucker-Computer" – Die Rechenmaschine der Chemiker aus Jena arbeitet nicht mit Würfelzucker, sondern mit fluoreszierenden Zuckerlösungen. © Jan-Peter Kasper/FSU

Zucker statt Strom: Deutsche Wissenschaftler haben einen einfachen Computer entwickelt, der Zucker und Fluoreszenz-Farbstoffe anstatt elektrischer Signale zum Rechnen verwendet. Die Rechenoperationen dauern zwar sehr lange, chemische Computer nach diesem Prinzip könnten jedoch zur Diagnostik eingesetzt werden, schreiben die Chemiker im Fachmagazin „Angewandte Chemie“.

Computer rechnen mit Nullen und Einsen – technisch bedeutet das normalerweise „Strom aus“ oder „Strom an“. Zahlreiche solcher Schalter, die Bits, lassen sich mit den logischen Operatoren „Und“, „Oder“ und „Nicht“ miteinander verschalten und sind so zu komplexen Rechenoperationen in der Lage. Allerdings braucht es dazu nicht zwangsläufig elektrischen Strom, wie Chemiker um Alexander Schiller von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena nun in einem Experiment gezeigt haben: Ihr Computer arbeitet mit fluoreszierenden Zuckerlösungen.

Reagenzien statt elektrischem Strom

Für den „Zucker-Computer“ nutzen die Wissenschaftler mehrere Komponenten: Einen fluoreszierenden Farbstoff und einen sogenannten Fluoreszenzlöscher. „Liegen beide Komponenten vor, so kann der Farbstoff seine Wirkung nicht entfalten und wir sehen kein Fluoreszenzsignal“, erklärt Schiller. Kommen jedoch Zuckermoleküle ins Spiel, reagiert der Fluoreszenzlöscher mit dem Zucker und verliert so seine Fähigkeit, das Fluoreszenzsignal zu unterdrücken: Der Farbstoff leuchtet auf. Ein einzelnes Reaktionsgefäß stellt ein Bit des Zuckercomputers dar: „Kein Signal“ entspricht Null, Fluoreszenz bedeutet Eins.

Mehrere dieser chemischen Bits gemeinsam sind ebenfalls zu Rechenoperationen in der Lage: „In unserem Rechner verknüpfen wir chemische Reaktionen mit Computeralgorithmen, um komplexe Informationen zu verarbeiten“, sagt Erstautor Martin Elstner. „Wird ein Fluoreszenzsignal registriert, gibt der Algorithmus vor, was als nächstes in das Reaktionsgefäß pipettiert werden soll.“ Statt elektrischem Strom fließen also chemische Reagenzien durch die Leitungen und verarbeiten die Signale zu Informationen.

Rechenaufgabe in 40 Minuten

Dass der chemische Rechner tatsächlich funktioniert, haben Schiller und seine Mitarbeiter in der vorliegenden Studie am Beispiel der Rechenaufgabe 10 + 15 demonstriert. Allerdings sind die Rechenzeiten eher langsam: „Rund 40 Minuten hat unser Zucker-Computer dafür gebraucht, aber das Ergebnis war richtig“, sagt Schiller schmunzelnd und stellt klar, dass es sich lediglich um eine Demonstration des Arbeitsprinzips handelt: „Unser Ziel ist es nicht, eine chemische Konkurrenz zu gängigen Computerchips zu entwickeln.“

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Als Einsatzgebiet einer solchen chemischen Rechenplattform kommt die medizinische Diagnostik in Frage: So könnten etwa die Analysen verschiedener Substanzen in Blut- und Urinproben miteinander verknüpft werden. Auf diese Art könnte bereits der Computer eine Diagnose stellen und Vorschläge zur Therapie machen. (Angewandte Chemie International Edition, 2014; doi: 10.1002/anie.201403769)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 24.06.2014 – AKR)

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