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Technik

Das Geheimnis des perfekten Elfmeters

Elektronisches Trainingsgerät trainiert erfolgreiche Schusstechnik beim Strafstoß

Torhüter als Elfmeter-Töter © U.S. Air Force / Lance Cheung

Nerven, Glück und nochmal Nerven – darauf kommt es beim Elfmeterschießen an. Ein deutscher Sportwissenschaftler nennt weitere Zutaten, die einen perfekten Strafstoß ermöglichen: Schnelle Reaktionen und vor allem Übung. Mit einem entsprechenden Trainingsgerät können Fußballer ihre Trefferquote auf beinahe 100 Prozent steigern. Möglich wird das durch einen großen Nachteil des Torwarts: Er hat nicht genug Zeit.

Nationalspieler Thomas Müller verwandelte sicher beim ersten Spiel der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM 2014 gegen Portugal, doch ein verschossener Elfmeter kann eine ganze Fußballnation ins Unglück stürzen – das zeigt sich spätestens dann wieder, wenn bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien das Elfmeterschießen ein K.O.-Spiel oder gar das Finale entscheidet. Dabei ist das sichere Verwandeln vom Punkt mit einer simplen Taktik erlernbar und lässt sich perfektionieren, sagt Sportwissenschaftler Armin Kibele von der Universität Kassel. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer Verzögerung des Schusses im richtigen Moment.

Dilemma des Torwarts

Entscheidend ist demnach einzig und allein das Timing beim Bewegungsablauf: „Die Schützen haben im Duell gegen den Torhüter einen Zeitvorteil“, erläutert Kibele. „Im Profi- und Halbprofi-Bereich können stramm geschossene Bälle eine Geschwindigkeit um die 30 Meter pro Sekunde erreichen. Will ein Torwart einen Ball abwehren, der in eine Ecke platziert wird, muss er aus rein zeitlichen Gründen abspringen, bevor der Fuß des Schützen den Ball trifft.“ Erfolgreiche Torhüter müssen also praktisch in die Zukunft sehen: Sie versuchen, aus der Bewegung des Schützen vor dem Ballkontakt die Schussrichtung abzuleiten. Dann springen sie Sekundenbruchteile vor dem Schuss in die entsprechende Ecke des Tores.

Kibele erklärt weiter: „Wenn der Schütze unmittelbar vor dem Schuss seinen Anlauf verzögert und den Sprung des Torhüters – oder dessen Stehenbleiben – abwartet, hat er ein Zeitfenster von etwa 100 bis 150 Millisekunden, um den Ball in die freie Ecke zu platzieren.“ Dieses winzige Zeitfenster sei den Studien der Sportwissenschaftler zufolge ausreichend, um die Reaktion des Torhüters abzuwarten und den automatisierten Bewegungsablauf des Schusses darauf abzustimmen. Allerdings macht das Regelwerk diese Aufgabe noch schwieriger: Ein offensichtliches Verzögern oder Vortäuschen des Schusses wird abgepfiffen.

Elfmeter-Training mit Lichterkette

Auf dieser Grundlage entwickelten Kibele ein Trainingsprogramm für seine Untersuchungen. Studierende der Uni sollten auf ein Tor schießen, zwischen dessen Pfosten allerdings kein Torhüter stand: Stattdessen simulierte allein eine Lichterkette die Sprungrichtung des Keepers. Die Schützen lösten mit ihrem Standbein unmittelbar vor dem Schuss eine Lichtschranke aus, welche die Lichterkette entweder nach links oder nach rechts leuchten ließ. Aufgabe war es dann, in die jeweils andere Ecke zu schießen.

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Das Ergebnis: „Während Anfänger den verlangten Bewegungsablauf nicht umsetzen konnten, verbesserten sich die Fußballer in der Übungsphase immer weiter und waren schließlich in der Lage, in sehr kurzer Zeit die Schussrichtung entgegen der Lichterkette auszuführen“, so Kibele. Eine verbesserte Variante der Versuchsanordnung hat die Uni inzwischen zum Patent angemeldet: Statt einer Lichterkette ersetzt eine Videowand mit Filmsequenzen eines Torwarts ersetzt wird. Mit diesem System sollen in Zukunft Spitzenfußballerden perfekten Elfmeter trainieren.

Gerade das sichere Trainieren und Verinnerlichen eines Bewegungsablaufs ist das eigentliche Forschungsfeld von Kibele. Die sogenannte Wahrnehmungs-Handlungs-Kopplung ermöglicht es Sprtlern, ihre Handlungen in kurzen Zeiträumen auf das Verhalten ihrer Umgebung abzustimmen. „Durch häufiges Üben stellt das Gehirn Nervenverbindungen her, die eine blitzschnelle Reaktion auf eine bestimmte Wahrnehmung ermöglichen“, erklärt Kibele. Solche Reaktionen erlauben dann auch die „reaktive Strafstoßausführung“, also das reagieren auf den Sprung des Torwarts.

Nicht in den oberen Winkel zielen

Diese Variante ist Kibele zufolge deutlich zuverlässiger als eine ebenfalls erfolgreiche Technik beim Elfmeter: der Schuss in den oberen Torwinkel. Dieser erfordert jedoch ein hohes Maß an Koordination und Präzision beim Schuss – für einen erschöpften Spieler nach 120 Minuten aufreibenden Spiels oft eine äußerst schwierige Aufgabe. Kibele rät der deutschen Fußball-Nationalmannschaft daher, insbesondere beim Elfmeterschießen nach Verlängerung nicht auf den oberen Torwinkel zu zielen: „Diese Variante sollte, wenn überhaupt, nur von ausgeruhten Spielern gewählt werden. Denn Untersuchungen zeigen, dass durch die Ermüdung die Motorik leidet, aber nicht die visuelle Wahrnehmung. Also: Der Präzisionsschuss geht leicht schief, der reaktive Schuss gelingt auch nach 120 Minuten noch.“

Kibele sieht sich übrigens durch einen besonders prominenten Fehlschuss bestätigt: den Schuss, den Bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger im Champions-League-Finale 2012 gegen Chelsea vom Punkt an den Innenpfosten setzte. „Im Video erkennt man deutlich, dass Schweinsteiger seinen Anlauf zu früh verlangsamt“, erläutert Kibele. Der erfahrene Chelsea-Torhüter Petr Cech hatte dadurch Gelegenheit, selber eine Bewegung anzutäuschen, was Schweinsteiger sichtlich verunsicherte. „Das zeigt, dass die reaktive Strafstoßausführung im Training unbedingt intensiv geübt werden muss“, so Kibele. „Ist der Ablauf verinnerlicht, ist der Erfolg fast sicher.“

(Universität Kassel, 18.06.2014 – AKR)

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