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Astronomie

Mehr Sterne am Himmel als gedacht

Viele massereiche Sterne sind in Wahrheit Doppelsysteme

Eta Carinae, der hellste Stern im Carina Nebel, ist etwa 100 bis 120mal so schwer wie unsere Sonne und wird wahrscheinlich bald zur Supernova. © RUBIN

Zwillingspaare am Sternenhimmel: Hinter den schwersten Sternen am Himmel verbirgt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Doppelsystem. Astronomen aus Deutschland haben festgestellt, dass Doppel-Sternsysteme wesentlich häufiger sind als bisher angenommen – bei besonders massereichen Sternen könnten die Zwillings-Systeme sogar der Normalfall sein.

Von besonders massereichen Sternen ist bekannt, dass sie oft von einem weiteren Stern umkreist werden und ein Doppelsystem bilden. Solche Doppelsterne sind allerdings auch mit modernsten Teleskopen oft nur sehr schwer zu identifizieren: Der Abstand zwischen den Sternen eines Doppelsystems ist im Vergleich zur Entfernung zur Erde so gering, dass sie sich unmöglich getrennt voneinander abbilden lassen. Astronomen um Rolf Chini von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben dennoch 800 massereiche Sterne von ihrem Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste aus über beobachtet und genau untersucht – jeden einzelnen über einen Zeitraum von Tagen oder sogar Wochen.

Dopplereffekt verrät Doppelsterne

Dabei fanden sie erstaunliches heraus: Mehr als 90 Prozent der beobachteten Sterne sind in Wahrheit Doppelsterne. Möglich war diese Entdeckung allerdings nur mit einem Trick – in Sachen Auflösung ist das RUB-Observatorium anderen modernen Teleskopen, wie dem nur 20 Kilometer entfernten „Very Large Telescope“ der Europäischen Südsternwarte, nämlich hoffnungslos unterlegen. Bei ihren Langzeitbeobachtungen kommt den Astronomen jedoch der Doppler-Effekt zu Hilfe: Bewegt sich ein Stern vom Beobachter weg, so verschiebt sich das Spektrum seines Lichts in den roten Bereich. Nähert sich der Stern dagegen, verschiebt sich das Spektrum in Richtung blau. Bei den einander umkreisenden Sternen maßen Chini und seine Kollegen solche charakteristischen Verschiebungen, die in regelmäßigen Abständen schwankten – ein eindeutiger Nachweis für Doppelsterne.

Schematische Darstellung des Doppler-Effekts. © RUBIN

Außerdem, so zeigten statistische Auswertungen, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Doppelsystems mit der Masse: Je schwerer ein Stern ist, desto wahrscheinlicher hat er einen Begleiter. Besonders überraschend sind dabei die Massenverhältnisse zwischen den Partnern. Es ist nämlich keinesfalls immer so, dass ein kleiner Stern einen wesentlich größeren umkreist – stattdessen sind beide Sterne meist annähernd gleich groß und schwer.

Neues Modell zur Entstehung von Doppelsternen

Dies widerspricht allerdings einem gängigen Modell zur Entstehung von Doppelstern-Systemen: Bislang gingen Astronomen davon aus, dass ein großer Stern einen kleineren Partner gewissermaßen einfängt. Die hohe Zahl von Doppelsystemen mit gleichgroßen Partnern spricht jedoch gegen dieses Modell: „Warum sollte ein Stern von 50 Sonnenmassen einen Stern von ebenfalls 50 Sonnenmassen einfangen?“ fragt Chini, und führt weiter aus: „Es wäre viel einfacher, einen Stern von nur einer Sonnenmasse einzufangen. Der Prozess der Sternentstehung liefert sicherlich die Erklärung für dieses Phänomen.“

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Die Astronomen schlagen darum ein neues Modell für die Entstehung solcher Systeme vor: Die riesigen Gas- und Staubwolken, aus denen massereiche Sterne hervorgehen, teilen sich demnach im Laufe des Prozesses. Aus jeder Hälfte entsteht ein Stern, so dass sich zwei Partner mit annähernd gleicher Masse umkreisen – wie eineiige Zwillinge. Diese Art der Zwillingsgeburt lässt sich auch im Modell berechnen und bestätigen. Viele Theorien, wie einzelne massereiche Sterne auf stabile Weise entstehen können, sind dagegen bislang lückenhaft.

(Ruhr-Universität Bochum, 16.06.2014 – AKR)

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