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Physik

Wasser bringt Mikrobauteile in Form

Skurriles Experiment demonstriert eine verblüffend simple Form der Selbstorganisation

Selbstorganisation eines Siliziumwürfels durch Wasser © Journal of Applied Physics/ Legrain, et al. / University of Twente

Wie von Zauberhand setzt sich ein Siliziumnitrid-Schnittmuster von selbst zu einem dreidimensionalen Würfel zusammen. Auch Pyramiden oder andere 3D-Formen entstehen so scheinbar von selbst. Das Geheimnis dahinter: Ein Tropfen Wasser dient als Konstruktionshilfe und setzt die Bauteile zusammen. Wie das funktioniert, haben niederländische Forscher nun demonstriert. Diese wasserbasierte Selbstorganisation könnte künftig helfen, Bauteile für die Mikroelektronik schneller und günstiger als bisher zu produzieren.

Selbstorganisation eines Siliziumwürfels durch Wasser© Journal of Applied Physics/ Legrain, et al. / University of Twente

Der Trend in der Elektronik geht weiter ungebrochen in Richtung Miniaturisierung. Je kleiner ein Bauteil ist, desto schwieriger wird es jedoch, dieses mit herkömmlichen Produktionsmethoden zu erzeugen. „Während es simpel ist, 3D-Strukturen im alltäglichen Leben herzustellen, ist das bei der Mikrofabrikation extrem schwer, vor allem wenn große Mengen möglichst günstig produziert werden sollen“, erklärt Erstautor Antoine Legrain von der Universität Twente.

Mikrobauteile durch Selbstorganisation

Eine vielversprechende Lösung ist die Selbstorganisation: Dabei werden physikalische Kräfte wie die magnetische Anziehung oder die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten ausgenutzt, um Materialien quasi wie von selbst in die gewünschte Form zu bringen. Bei Halbleiter-Bauteilen geschieht dies meist mit Hilfe einer speziellen Löttechnik, bei der das flüssige Lötmaterial das Silizium in die Zielkonfiguration zieht. Das allerdings ist relativ langwierig und erfordert spezielle Lötmaterialien.

Die Forscher von der Universität Twente haben daher nun ein anderes Mittel ausprobiert, um Siliziumnitrid zu dreidimensionalen Formen zusammenzusetzen: Wasser. „Wasser ist überall, biokompatibel, billig und leicht anzuwenden“, erklärt Legrain. Für ihre Experimente entwarfen die Forscher zunächst die Schnittmuster für verschiedene 3D-Formen am Computer. „Die Auswahl dieser Formen ist im Prinzip unbegrenzt – Hauptsache, die spätere 3D-Form lässt sich als flaches Schnittmuster darstellen“, erklärt Legrain.

Wasser als Formgeber

Mit Hilfe dieser Schnittmuster schnitten die Wissenschaftler entsprechende Faltbögen aus Siliziumnitrid-Schichten aus. An den gewünschten Faltkanten ätzten sie einen Teil der Schicht weg, damit die Form dort später leichter umklappen kann. In der Mitte der Faltbögen blieb ein kleiner Kanal nach unten offen – er ist für die Selbstorganisation auf Wasserbasis entscheidend.

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Um die Selbstorganisation der Schablonen zu starten, reicht es nun, ein wenig Wasser durch den Kanal zu pumpen. An der Oberseite des Faltbogens bildet sich dadurch ein runder Wassertropfen. Seine Oberflächenspannung zieht nun die Seitenklappen des Falzbogens mit sich nach oben und verbindet sie sie dadurch automatisch zu einer dreidimensionalen Form. Im Test setzten die Forscher so in Sekundenschnelle winzige Würfel, Pyramiden, Schalen und ein längliches Prisma zusammen – alle kleiner als ein Sandkorn.

Im Gegensatz zu früheren Versuchen dieser Art können diese Formen zudem mehrfach geöffnet und wieder geschlossen werden, wie die Forscher berichten: Einfach indem Wasser zu und wieder abgepumpt wird. Bis zu 60 Mal hintereinander ließen sich diese Formen auf diese Weise auf und zuklappen – ohne dass es Anzeichen von Schäden oder Abnutzung gab.

Schnittmuster (oben) und fertiger Würfel im Elektronenmikroskop. © Legrain et al. / University of Twente

Einsatz in Elektronik und Biomedizin

Nach Ansicht der Forscher eröffnet diese wasserbasierte Selbstorganisation von Siliziumnitrid neue Möglichkeiten, elektronische Bauteile einfacher und schneller als bisher zu formen. Zudem könnten solche umkehrbaren Klappmechanismen auch in der Biomedizin eingesetzt werden, beispielsweise um Medikamente einzuschließen und sie dann gezielt wieder freizusetzen oder aber um wie mit einer autonomen Pinzette winzige Proben von Geweben oder Zellen im Körper zu greifen.

Bis dahin allerdings muss noch Einiges an Weiterentwicklung geleistet werden, räumen die Forscher ein. Sie wollen nun als Nächstes leitfähige Gelenkverbindungen und 3D-Sensoren mit ihrer neuen Technik herstellen. (Journal of Applied Physics, 2014; doi: 10.1063/1.4878460)

(American Institute of Physics (AIP), 04.06.2014 – NPO)

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