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Neurobiologie

Forscher machen Träume steuerbar

Stimulation mit Wechselstrom erzeugt Klarträume

Träume haben ein Eigenleben - normalerweise © SXC

Klartraum auf Knopfdruck: Forscher haben erstmals Menschen zu luziden Träumen verholfen. Reizten sie den Schädel von außen mit schwachen Strompulsen, dann wurden sich diese ihrer Träume bewusst und konnte sie teilweise sogar kontrollieren. Dies könnte gegen schwere Alpträume und bei posttraumtischen Stresserkrankungen helfen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Neuroscience“.

Normalerweise führen unsere Träume ein Eigenleben – wir können sie weder steuern, noch merken, wir, dass wir träumen. Denn der im wachen Zustand aktive Filter des Verstandes fehlt. Doch es gibt sehr seltene Ausnahmen: Einige Menschen erleben sogenannte luzide Träume oder Klarträume. „In diesem Zustand koexistieren Teile des höheren Bewusstseins mit der normalen Traumwelt“, erklären Ursula Voss von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ihre Kollegen. Dadurch wird sich der Schlafende bewusst, dass er träumt und kann sogar steuernd in die Traumhandlung eingreifen.

Wechselstrom-Stimulation im Schlaf

Studien zeigen, dass bei solchen Klarträumen Teile des Stirnhirns aktiver sind als normalerweise im Traumschlaf. Hirnströme einer bestimmten Frequenz häufen sich dann in diesem Bereich. Ob dies aber Ursache oder Folge der Klarträume ist, blieb unklar. Voss und ihre Kollegen haben dies nun in einem Experiment überprüft. Für die Studie schliefen 15 Frauen und 12 Männer vier Nächte lang im Schlaflabor des Universitätsklinikums Göttingen. Keiner der Teilnehmer hatte zuvor Klarträume erlebt.

In der vierten Nacht begannen die Forscher mit dem eigentlichen Experiment: Etwa zwei Minuten nach Beginn des REM-Schlafs – der Traumschlafphase – reizten sie den vorderen Bereich des Gehirns durch transkranielle Wechselstrom-Stimulation (tACS). Bei diesen Verfahren wird über am Kopf anliegende Elektroden schwacher elektrischer Strom durch den Schädelknochen hindurch ins Gehirn geschickt. Dies beeinflusst die elektrischen Hirnströme und damit auch die Hirnfunktion. Im Versuch erfolgte diese Reizung in verschiedenen Frequenzen zwischen 2 und 100 Hertz. Parallel dazu maßen die Forscher die Hirnströme der Probanden. Einige Sekunden nach Ende der Behandlung wurden diese geweckt und nach ihren Traumerlebnissen gefragt.

Traumbewusstsein bei 40 Hertz

Das Ergebnis war verblüffend: Die Stimulation veränderte die Träume mehrerer Versuchspersonen – sie wurden zu Klarträumern. Am stärksten war dieser Effekt bei Frequenzen von 25 und 40 Hertz, wie die Forscher berichten. Typische Kennzeichen für die luziden Träume waren das Wissen darum, dass man gerade träumt, sowie ein Heraustreten aus der sonst typischen Ich-Perspektive: Die Träumenden sahen sich selbst in der dritten Person. Bei einer Stimulation von 25 Herz berichteten die Teilnehmer zudem, zunehmend Kontrolle über den Verlauf der Träume zu haben.

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Parallel dazu registrierten die Forscher während der Stimulation auch eine Veränderung der Gehirnströme bei den Probanden: Im Stirnhirn traten vermehrt Wellen im sogenannte Gamma-Frequenzband auf, wie sie berichten. Bei den Durchgängen, in denen zwar die Elektroden anlegten, aber die Stimulation nur vortäuschten, blieben Hinströme und Träume dagegen unverändert.

Hilfe gegen Alpträume und posttraumatischen Stress

„Unsere Ergebnisse demonstrieren erstmals einen veränderten Bewusstseinszustand durch induzierte Gamma-Schwingungen im Schlaf“, konstatieren die Forscher. Klarträume lassen sich demnach durch gezielte Stimulation provozieren.

Diese Erkenntnis könnte auch für Patienten mit posttraumatischen Stress-Störungen hilfreich sein: Durch induziertes Klarträumen könnten sie möglicherweise lernen, ihre wiederkehrenden Alpträume zu kontrollieren oder zumindest sie im Schlaf schon als bloßen Traum zu entlarven. So würden die nächtlichen Horrorszenen einen Teil ihres Schreckens verlieren. (Nature Neuroscience, 2014; doi: 10.1038/nn.3719)

(Nature, 12.05.2014 – NPO)

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