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Zoologie

Männliche Forscher stressen Labormäuse

Stressreaktion auf männlichen Geruch könnte Medikamenten-Studien verfälschen

Labormäuse © NIH/National Human Genome Research Institute

Drastischer Unterschied zwischen Männern und Frauen: Labormäuse reagieren auf den Geruch von Männern besonders gestresst, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Sind Frauen in ihrer Nähe, ist das dagegen nicht der Fall. Weil diese Reaktion auch das Schmerzempfinden der Tiere verändert, könnte sie sogar wissenschaftliche Studien verfälschen – beispielsweise für Medikamente, wie die Forscher online im Fachmagazin „Nature Methods“ berichten.

Mäuse und Ratten sind die häufigsten Labortiere überhaupt: Unzählige Forschungsarbeiten und pharmazeutische Studien wären ohne die Nagetiere nicht möglich. In Studien zur Wirksamkeit von Arzneimitteln ist oft wichtig, wie hoch das Schmerzempfinden der Versuchstiere ist und unter wie hohem Stress sie stehen. Diese Faktoren beeinflussen sich auch gegenseitig: Schmerz löst verständlicherweise Stress aus – Stress wiederum senkt merklich die Schmerzempfindlichkeit.

Allerdings kommt es immer wieder vor, dass sich die Studienergebnisse einer Forschungsgruppe im Labor einer anderen Gruppe nicht wiederholen lassen. Bislang unbekannte Faktoren beeinflussen offenbar manche Studien und stellen im Extremfall die Verlässlichkeit des ganzen Systems in Frage. Ein Forscherteam um Robert Sorge von der McGill University im kanadischen Montreal ist einem solchen Faktor auf die Spur gekommen.

Stress durch getragene T-Shirts

Die Forscher stellten fest, dass bereits die Anwesenheit männlicher Wissenschaftler im Labor bei den Mäusen zu gestresstem Verhalten führte, und zwar sowohl bei männlichen als auch weiblichen Mäusen. Durch den ausgelösten Stress waren die Mäuse deutlich weniger schmerzempfindlich, in ähnlichem Ausmaß wie bei üblichen Labortests mit künstlich ausgelöstem Stress.

Den Verdacht, dass Labormäuse in irgendeiner Weise unterschiedlich auf bestimmte Personen reagieren, hatten Wissenschaftler schon früher. „Aber das ließ sich nie direkt nachweisen, bis jetzt“, sagt Seniorautor Jeffrey Mogil von der McGill University. Um dieses Phänomen genauer zu untersuchen, führten die Wissenschaftler weitere Experimente durch. Sie platzierten jeweils von Männern oder Frauen getragene T-Shirts neben den Käfigen der Mäuse und beobachteten das Verhalten der Nager.

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Männlich stresst, weiblich beruhigt

Und tatsächlich: Der Geruch von männlichen Pheromonen an den entsprechenden Kleidungsstücken reichte aus, um die Labortiere zu stressen. Nicht nur niedrigere Schmerzempfindlichkeit, auch anderes typisches Stressverhalten zeigten die Mäuse. Die von Frauen getragenen T-Shirts störten die Mäuse dagegen überhaupt nicht, im Gegenteil: Interessanterweise hebt der weibliche Geruch den Effekt des männlichen auf. Rochen die Mäuse beides zugleich, verhielten sie sich ebenfalls normal.

Die Wissenschaftler erklären dies mit dem Sozialverhalten unter Mäusen: Männliche Mäuse sind mitunter sehr aggressiv gegenüber Artgenossen, wenn sie ihr Revier markieren und verteidigen. Besondere Gefahr geht dabei offenbar von Einzelgängern aus – sobald ein Weibchen dabei ist, benehmen sich die Männchen sozialer. Und das scheint artübergreifend zu funktionieren:

Die Mäuse unterscheiden nicht zwischen verschiedenen Säugetieren, wie Versuche zeigten. Ob Mensch, Maus, Hund, Katze oder Meerschweinchen – für die Nagetiere zählt nur: Männchen oder Weibchen. Da sich die Pheromone aller Säugetiere chemisch ähneln, ist das an sich wenig überraschend. Ungewöhnlich ist dagegen, dass die Mäuse keine anderen Signale hinzuziehen, um zwischen Arten zu unterscheiden.

Geschlecht entscheidend für Reproduzierbarkeit

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Geschlecht des Experimentators ein Hauptgrund für die fehlende Reproduzierbarkeit von Tierstudien ist“, fasst Sorge zusammen. Das Geschlecht des durchführenden Forschers wird im Methodenteil eines wissenschaftlichen Artikels bislang normalerweise nicht genannt. Die Psychologen sind der Ansicht, dass sich das ändern sollte, so wie auch vor einigen Jahren die Bedeutung spezifischer Mäusestämme und des Geschlechts der Labortiere erkannt wurde.

Mogil nennt auch noch eine weitere einfache Lösung für das Problem: Der Stress-Effekt auf die Mäuse ist nicht von Dauer. Männliche Wissenschaftler müssten sich also nur eine Weile vor Beginn eines Experiments bereits im selben Raum wie die Mäuse aufhalten, oder das Experiment zusammen mit einer weiblichen Kollegin durchführen. (Nature Methods, 2014; doi: 10.1038/nmeth.2935)

(McGill University, 30.04.2014 – AKR)

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