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Astronomie

Erster direkter Beweis für die kosmische Inflation

Teleskop findet erstmals Spuren von Gravitationswellen aus dem frühen Universum

Das BICEP2-Teleskop am Südpol fahndet nach Belegen für die Inflation im kosmischen Mikrowellen- Hintergrund © Steffen Richter (Harvard University)

Eine echte Sensation: Astronomen haben den ersten direkten Beweis für die kosmische Inflation gefunden – für die nur Sekundenbruchteile dauernde Phase direkt nach dem Urknall, in der das Universum exponentiell expandierte. Der Beweis versteckt sich in der Polarisation der Kosmischen Hintergrundstrahlung und wurde nun mit einem am Südpol stehenden Spezialteleskop erstmals nachgewiesen. Damit ist es Forschern gelungen, so weit in der Zeit zurückzublicken wie noch nie zuvor.

Vor knapp 14 Milliarden Jahren explodierte das Universum förmlich: In einer Phase überlichtschneller Expansion wuchs es von der kleinsten möglichen Größe auf kosmische Maßstäbe heran. Nur mit dieser in den 1980er Jahren von dem US-Physiker Alan Guth postulierten Inflation sind viele Eigenschaften des Universums erklärbar. Allerdings: Bisher fehlte der endgültige direkte Beweis, dass es eine solche Inflationsphase tatsächlich gab. Ein solcher Indikator wären Gravitationswellen, die die ultraschnelle Ausdehnung im Universum hinterlassen haben muss.

„Dieses Signal zu detektieren ist einer der wichtigsten Ziele der heutigen Kosmologie“, erklärt John Kovac vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Leiter des BICEP2-Teams. Und genau diese Spuren solcher Gravitationswellen haben er und seine Mitforscher der BICEP2-Kollaboration jetzt erstmals entdeckt. Aufgespürt hat sie das BICEP2-Array, einem am Südpol stehenden Mikrowellen-Teleskop mit 512 supraleitenden und extrem heruntergekühlten Detektoren. Die Teleskope machen gezielt spezielle Merkmale der Kosmischen Hintergrundstrahlung sichtbar.

Spurensuche in der Kosmischen Hintergrundstrahlung

Diese Strahlung gilt als Relikt aus der Frühzeit des Universums. Denn sie wurde rund 380.000 Jahre nach dem Urknall frei, als sich die ersten Atome bildeten. Nach gängiger Theorie müssten sich die Gravitationswellen der Inflation im Polarisationsmuster dieser Strahlung niedergeschlagen haben – in der Schwingungsrichtung der Lichtwellen. „Wir haben nach einem bestimmten Typ der Polarisation gesucht, den sogenannten B-Modi“, erklärt Jamie Bock vom California Institute of Technology.

Gravitationswellen aus dem frühen Kosmos erzeugen ein kurviges Muster in der Polarisation der Hintergrundstrahlung. Genau diese B-Modi hat das BICEP2-Team nun gefunden. © BICEP2 Collaboration

Diese B-Modi – eine Art Kurvenmuster in der Polarisierung der Hintergrundstrahlung – entstanden, als die Gravitationswellen den Raum im frühen Universum verzerrten und dabei auch die Schwingungsrichtung der Lichtwellen beeinflussten. Das Besondere daran: Die Gravitationswellen besitzen eine „Händigkeit“, die Richtung der Schwingungen kann nach links oder rechts drehen. „Wegen dieser charakteristischen Händigkeit sind die kurvigen Muster der B-Modi eine einzigartige Signatur der Gravitationswellen“, sagt BICEP2-Team-Mitglied Chao-Lin Kuo von der Stanford University.

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Klares Signal der Inflation

Und genau diese Muster entdeckten die Forscher, als sie den Kosmischen Mikrowellen-Hintergrund in Größenordnungen von zwei bis fünf Winkelgraden absuchten. „Wir haben damit das erste direkte Bild von Gravitationswellen im primordialen Himmel“, sagt Kuo. Das Signal ist dabei sogar deutlich stärker als von den Forschern erhofft – ein Grund, warum sie ihre Daten mehr als drei Jahre lang prüften und reanalysierten, um jeden Irrtum auszuschließen.

Jetzt aber scheint klar: Es ist das Signal der Inflation. Und die Daten sind sogar so genau, dass sie auch verraten, wann diese explosive Expansion unseres Universums stattfand: In der unvorstellbar kurzen Zeit von nur 10 hoch -37 Sekunden nach dem Urknall begann die Inflation. Zu dieser Zeit war das Uruniversum so heiß und dicht, dass seine Energie gewaltigen 10 hoch 16 Gigaelektronenvolt entsprach.

Der Anfang von Allem – dieses Video erklärt die Inflation und wie die Astronomen die Signale dieser gewaltigen Expansion fanden.© Nature

„Nobelpreiswürdige Entdeckung“

Für die Kosmologen ist diese Entdeckung ein absoluter Durchbruch. Denn sollte dieses Ergebnis durch andere, unabhängige Messungen bestätigt werden, dann ist damit eine der grundlegenden Theorien unseres kosmologischen Weltbilds – die Inflation – erstmals direkt belegt. „Dies ist ein völlig neues und unabhängiges Stück kosmologischen Beweises, dass das Bild der Inflation zusammenpasst“, kommentiert einer der „Väter“ der Inflation, Alan Guth in „Nature News“. Seiner Ansicht nach könnte dieser Fund sogar einen Nobelpreis wert sein.

Auch andere Physiker und Kosmologen äußern sich begeistert. „Diese Arbeit liefert uns neue Einsichten in unsere grundlegendsten Fragen: Warum existieren wir? Wie begann das Universum?“, kommentiert der theoretische Physiker Avi Loeb von der Harvard University. „Diese Ergebnisse sind nicht nur der berühmte rauchende Colt für die Inflation, sie verraten uns auch, wann sie stattfand und wie stark sie war.“

Eine Bestätigung der Ergebnisse könnte in den nächsten Monaten von der Raumsonde Planck kommen. Dieser vermisst die Kosmische Hintergrundstrahlung vom Weltraum aus und hat erst im letzten Jahr die bisher genaueste Karte dieser Strahlung geliefert. Noch in diesem Jahr soll das Planck-Team auch genauere Daten zur Polarisation des Mikrowellen-Hintergrunds veröffentlichen.

(Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, 18.03.2014 – NPO)

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