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Biologie

Ein Viertel der Zugvögel ist bedroht

Erste Rote Liste wandernder Vogelarten in Deutschland zeigt deutliche Rückgänge der Bestände

Viele nordeuropäische Brandgänse durchleben ihre Mauser an der Elbemündung. © Richard Crossley / CC-by-sa 3.0

Ein Viertel aller Zugvögel in Deutschland ist bedroht – das zeigt die erste Rote Liste der deutschen Zugvögel. Gefährdet sind demnach viele Wildgänse, aber auch der Kuckuck oder die Kornweihe. Vor allem die immer knapper werdenden Rastplätze entlang der Küsten, aber auch die Jagd dezimieren diese Vögel erheblich, wie die Erhebung der Vogelforscher ergab. Als wichtige Drehscheibe für wandernde Vögel müsse gerade Deutschland mehr für deren Schutz tun, warnen die Ornithologen.

Deutschland ist ein echtes Durchzugsland: Alljährlich im Frühling und Herbst ziehen rund 500 Millionen Zugvögel aus 279 Arten über unsere Gefilde. Für viele von ihnen sind vor allem die Marschen entlang der Küste wichtige Rastplätze und Futterstationen, dazu gehören unzählige Wildgans-Arten aus dem Hohen Norden. Aber auch viele heimische Vögel gehören zu den Zugvögeln und legen regelmäßig Langstreckenflüge von Winterquartier zum Brutgebiet und umgekehrt zurück.

Erstmals haben nun Vogelforscher ermittelt, wie stabil die Bestände dieser Zugvögel sind und eine Rote Liste der wandernden Vogelarten in Deutschland aufgestellt. Sie wurde nun vom Deutschen Rat für Vogelschutz (DRV) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) präsentiert. Die Gefährdung der Zugvögel zu ermitteln sei erheblich schwieriger als bei den etwa 86 Millionen Vogelpaaren, die in Deutschland brüten. „Die 28 Brutvogelarten, die bei uns überhaupt nicht wandern, bilden eine kleine Minderheit“, erläutert Hans-Günther Bauer, Koordinator des Rote-Liste-Gremiums und Wissenschaftler an der Vogelwarte Radolfzell.

Auch der Kuckuck gehört zu den bedrohten Zugvögeln, hier ein Jungvogel, der sich von einem Teichrohrsänger füttern lässt. © Per Harald Olsen / CC-by-sa 3.0

Deutliche Rückgänge

Das Ergebnis für die Zugvögel ist nicht sonderlich gut: Insgesamt wurde fast ein Viertel aller Arten als bestandsgefährdet eingestuft, darunter Kornweihe, Rotschenkel, Kuckuck und Ortolan. Weitere zehn Prozent stehen auf der Vorwarnliste. Die Bestände dieser Arten gehen bereits merklich zurück. Zu ihnen zählen Kiebitz, Turteltaube und Trauerschnäpper.

„Die Situation bei den Zugvögeln ist zwar insgesamt etwas besser als bei Deutschlands Brutvögeln, denn dort stehen 42 Prozent auf der Roten Liste und weitere acht Prozent auf der Vorwarnliste“, erklärte BfN-Präsidentin Beate Jessel. Doch gäbe es bei bestimmten wandernden Vogelarten besondere Sorgenkinder. „Bedroht sind vor allem die weitziehenden Arten, die bis südlich der Sahara fliegen, während solche mit nur kurzen Wanderungen innerhalb Europas weniger gefährdet sind. Leider finden sich auch Arten der Agrarlandschaft und der Küsten und Meere überproportional häufig auf der Roten Liste.“

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Wichtige Drehscheibe

Nach Ansicht der Forscher hat Deutschland eine wichtige Funktion als Drehscheibe des Vogelzugs. Daher müsse sich Deutschland seiner Bedeutung für viele Zugvogelarten stärker bewusst werden und auch engagieren. Das Wattenmeer etwa gilt als das wichtigste Rastgebiet für Watvögel auf dem Weg von Sibirien nach Westafrika und die norddeutsche Tiefebene als wichtigstes Winterquartier arktischer Wildgansarten.

80 Prozent des nordeuropäischen Bestands der Brandgans versammelt sich im Sommer zur Mauser auf Sandbänken vor der Elbmündung. Ein Viertel des global bedrohten Weltbestands der Samtente überwintert in der deutschen Ostsee, wo die Art durch Beifang in Fischernetzen gefährdet ist. Jeder fünfte Sterntaucher überwintert in deutschen Nordseegewässern, wo sein Lebensraum durch Windenergieanlagen eingeschränkt wird. Ein Großteil des Weltbestands der bedrohten Waldsaatgans überwintert in Ostdeutschland und leidet dort unter der Jagd auf ähnliche Verwandte.

Die nationalen Zugvogelbestände sind daher von effektiven internationalen Schutzmaßnahmen auf den Flugrouten, Rast- und Brutplätzen angewiesen, wie die Forscher betonen. „Hier sehen wir die neue Bundesregierung in der Pflicht“, sagt Ommo Hüppop vom Institut für Vogelforschung Wilhelmshaven, der Erstautor dieser Roten Liste. Die Bundesregierung habe sich im Koalitionsvertrag zu einem verbesserten Schutz von Zugvögeln bekannt.

(Bundesamt für Naturschutz, 10.03.2014 – NPO)

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