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Astronomie

Asteroid zerbricht auf mysteriöse Art

Hubble-Teleskop fotografiert bislang nur theoretisch bekannten Vorgang

Bilder des Hubble-Teleskops zeigen, wie der Asteroid im Verlauf mehrerer Monate zerbricht. Die größten Trümmer haben einen Durchmesser von etwa 360 Metern. Das Sonnenlicht verleiht jedem Bruchstück einen sichtbaren Staubschweif. © NASA, ESA, D. Jewitt/UCLA

Schwere Kollisionen, große Krater und fliegende Felsbrocken – so sieht das verbreitete Bild aus, wenn Asteroiden zerbrechen. Amerikanische Astronomen haben jedoch jetzt einen Asteroiden entdeckt, der völlig ohne Spektakel auseinander fällt. Diese Möglichkeit war bislang nur in Spekulationen bekannt. Mit dem Hubble Weltraumteleskop beobachteten die Forscher den Prozess nun zum ersten Mal direkt.

Im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter ziehen unzählige Felsbrocken ihre Bahnen, von Staubkorngröße bis hin zum Zwergplaneten Ceres. Über 600.000 Asteroiden sind in diesem Bereich des Sonnensystems bereits entdeckt. Kollisionen von Felsbrocken mit mehr als zehn Kilometern Durchmesser treten dabei geschätzt etwa einmal in zehn Millionen Jahren auf. Solche Ereignisse können kleinere Asteroiden entstehen lassen. Es ist jedoch noch nicht restlos geklärt, wie diese Bruchstücke in noch kleinere Teile zerfallen. In der Online-Ausgabe des Magazins „Astrophysical Journal Letters“ beschreiben US-amerikanische Astronomen einen Asteroiden der wie von selbst zu zerbrechen scheint.

Langsamer Zerfall über mehrere Monate

Der zerbröckelnde Asteroid mit der Bezeichnung P/2013 R3 tauchte zuerst am 15. September 2013 als ungewöhnlich verschwommenes Objekt in kleineren Teleskopen auf. Das W.M. Keck Teleskop auf Hawaii konnte am 1. Oktober drei einzelne Objekte erkennen, die sich zusammen in einer Staubhülle von etwa der Größe der Erde bewegen. Dieser Staub versperrte den meisten erdgebundenen Teleskopen den Blick. Das brachte die Astronomen um David Jewitt von der University of California in Los Angeles dazu, mit dem Hubble Weltraumteleskop noch genauer hinzuschauen.

Mit der hohen Auflösung des Hubble Teleskops konnten die Wissenschaftler zehn einzelne Objekte ausmachen, jedes davon mit einem kometenähnlichen Staubschweif. Wahrscheinlich begann der Asteroid bereits Anfang letzten Jahres auseinander zu fallen. Die neuesten Bilder zeigen jedoch immer noch neue Trümmer. Die vier größten davon hatten jeweils einen Durchmesser von rund 360 Metern. „Diesen Felsen vor unseren Augen zerfallen zu sehen ist ziemlich aufregend“, so Jewitt.

Halb so schnell wie ein Spaziergänger

Die Hubble-Daten zeigten auch, dass sich diese Brocken voneinander entfernen – mit der doch recht gemächlichen Geschwindigkeit von weniger als zwei Kilometern pro Stunde. Das ist weniger als halb so schnell wie ein Spaziergänger. Dieses Verhalten macht es unwahrscheinlich, dass P/2013 R3 durch eine Kollision mit einem anderen Asteroiden zerbrochen ist. Ein solcher Zusammenprall hätte sich viel schneller und heftiger ereignet, und zumindest einige der Trümmerbrocken würden mit deutlich höherer Geschwindigkeit aus dem Crash herausfliegen.

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Kometen wie zuletzt ISON können auseinander brechen, wenn sie sich der Sonne nähern und ihr Kern aus Eis dabei verdampft. Diese Ursache kommt jedoch ebenfalls nicht in Frage, um den mysteriösen Asteroiden zu sprengen: Er ist zu kalt, als dass dort eine bedeutende Menge Eis für ausreichenden Druck verdampfen könnte. Außerdem hat er vermutlich seit den frühen Tagen des Sonnensystems seine Entfernung von rund 480 Millionen Kilometern zur Sonne stabil beibehalten – kein Grund für plötzliche Temperaturänderungen also.

Sonderling: Auf Bildern des Weltraumteleskops Hubble vom 10. September (links) und 23. September 2013 offenbart P/2013 P5 sechs Schweife (A-F), die ihn wie die Speichen eines Wagenrads umgeben. Während die meisten Schweife zwischen den Beobachtungen blasser wurden, hat Schweif F deutlich an Helligkeit zugelegt. © NASA / HST

Sonnenlicht versetzt Asteroiden in Rotation

Daher bleibt nur noch ein wahrscheinliches Szenario für den Zerfall: Die Sonneneinstrahlung auf der unregelmäßigen Oberfläche versetzt den Asteroiden in immer schnellere Rotation. Irgendwann dreht er sich so schnell um sich selbst, dass er durch die Zentrifugalkraft auseinanderfliegt. Über diesen sogenannten YORP-Effekt haben Wissenschaftler schon häufiger spekuliert– wirklich in Aktion beobachtet hat ihn jedoch zuvor noch niemand. An einem anderen Sonderling im Asteroidengürtel, dem sogenannten aktiven Asteroiden P/2013 P5, konnten Astronomen vor einer Weile eindrucksvoll diese Rotation beobachten. Dieser Asteroid bildete sechs verschiedene Schweife aus, ähnlich denen eines Kometen. Hier spekulierten die Wissenschaftler jedoch noch darüber, ob er eines Tages tatsächlich zerbrechen wird. P/2013 R3 scheint nun die Möglichkeit zu bestätigen, dass das Sonnenlicht ein grundlegender Faktor ist, der Asteroiden von weniger als zwei Kilometern Durchmesser zerfallen lässt.

Damit es soweit kommen kann, muss der Asteroid P/2013 R3 bereits zuvor eine bröckelige innere Struktur haben. Wahrscheinlich war er durch frühere Kollisionen mit anderen Asteroiden bereits geschwächt, wenn auch noch nicht völlig in Stücke zerschlagen. Von den meisten kleineren Asteroiden nimmt man an, dass sie durch solche Zusammenstöße eher Schutthaufen als Felsbrocken gleichen. Der YORP-Effekt könnte in Zukunft weitere Erkenntnisse über diese Struktur liefern. P/2013 R3 selbst ist wahrscheinlich ein Bruchstück eines wesentlich größeren Objekts, das innerhalb der letzten Milliarden Jahre in einer Kollision zerbrach.

Die Überbleibsel des Asteroiden wiegen zusammen etwa 200.000 Tonnen. In Zukunft werden die Trümmer sicherlich der Ursprung zahlreicher Meteoroide sein, so Jewitt. Die meisten werden irgendwann in die Sonne stürzen. Ein kleiner Teil könnte jedoch eines Tages in die Atmosphäre der Erde gelangen und als Meteor über den Himmel ziehen.

Weitere Bilder und Informationen über das Hubble Teleskop

(University of California – Los Angeles, 07.03.2014 – AKR)

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