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Zoologie

Orang Utans leben nicht nur auf Bäumen

Menschenaffen auf Borneo halten sich häufiger am Boden auf als angenommen

Orang-Utan mit Nachwuchs. © Wilting/IZW

„Schwing ohne Hast von Ast zu Ast“ – Diese Liedzeile des Affenkönigs King Louie aus der Disney-Verfilmung des „Dschungelbuch“ beruht möglicherweise auf veralteten Beobachtungen. Denn Orang-Utans auf Borneo sind offenbar weitaus bodenständiger als bisher angenommen. Wenn sie ungestört leben, verbringen die vermeintlichen Baumbewohner sogar die meiste Zeit am Boden. Zu diesem Ergebnis kommt eine nun im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlichte Studie internationaler Wissenschaftler.

Sie gelten als die größten baumbewohnenden Säugetiere: Orang-Utans leben nach verbreiteter Vorstellung nahezu ausschließlich in Baumkronen, wo sie von Ast zu Ast schwingen und Früchte sammeln. Verbreitet sind die rostroten Menschenaffen auf den Inseln Borneo und Sumatra. Etwa 70 Prozent der Orang-Utans auf Borneo leben dabei in vom Menschen wirtschaftlich genutzten Wäldern. Dabei müssen sie mit dem Eingriff in ihren Lebensraum zurechtkommen und in ausgedünnter Vegetation auf den Boden ausweichen. Neue Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Affen sich nicht nur aufgrund abgeholzter Wälder unerwartet häufig auf dem Boden aufhalten.

Ungestörte Orang-Utans bleiben auf der Erde

Ein internationales Wissenschaftlerteam fand heraus, dass das Bild vom nahezu ausschließlich kletternden Orang-Utan falsch oder zumindest unvollständig ist. Auf der Insel Borneo sammelten die Forscher Fotos und Videomaterial mit Hilfe von mehr als 1.400 Fotofallen. Durch diese unauffällige Art der Beobachtung fühlen sich die Tiere weniger gestört und flüchten selten in die Bäume. Die Forscher nehmen an, dass die bisherigen direkten Beobachtungen der scheuen Menschenaffen zu einem verzerrten Bild der wahren Situation geführt haben.

Andreas Wilting vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, der die Studie betreute, fasst die wichtigsten Erkenntnisse der gewonnenen Bilder zusammen: „Es wurden sowohl weibliche Orang-Utans, sogar mit Jungtieren, als auch männliche Orang-Utans aller Altersstufen bei ihren Ausflügen auf den Boden beobachtet, wobei die viel schwereren erwachsenen männlichen Orang-Utans mit Wangenwülsten am häufigsten fotografiert wurden.“ Dass auch weibliche Orang-Utans die Baumkronen verlassen, um sich auf dem Boden fortzubewegen, war für die Wissenschaftler neu.

Die Bodenaktivität der großen Affen ist in ungestörten Regenwäldern erstaunlicherweise sogar höher als in nachhaltig bewirtschafteten Waldgebieten. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sich die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum viel mehr auf dem Boden aufhalten. Andererseits zwingen auch stark eingeschlagene Wirtschaftswälder die Orang-Utans auf den Boden: Hier ist der Baumbestand einfach nicht mehr dicht genug.

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Orang-Utan mit Kokosnuss in einer Astgabel. Dieses Verhalten ist offenbar weniger typisch als angenommen. © Eleifert / (CC BY-SA 3.0)

Gefährliche Nähe zum Menschen

Welche Auswirkungen hat der häufige Aufenthalt auf dem Boden für die Baumbewohner? Einerseits bietet sich den Pflanzenfressern ein erweitertes Gebiet für die Nahrungssuche. Über den Boden können sie sich auch in weniger dichten Wäldern fortbewegen und sind nicht an kleinere Baumgruppen gebunden. Andererseits birgt das Bodenleben für die Orang-Utans auch Risiken. Auf dem Boden sind sie deutlich weniger geschützt und fallen leichter Jägern zum Opfer. Der Sumatra-Orang-Utan auf Borneos Nachbarinsel bleibt möglicherweise aus diesem Grund häufiger weiter oben unter dem Blätterdach des Waldes: Auf Sumatra leben Tiger, im Gegensatz zu Borneo.

In den bewirtschafteten Wäldern kann auch die Nähe zum Menschen gefährlich sein, die Orang-Utans könnten sich mit neuen Krankheitserregern infizieren. Auf Sumatra und Borneo existieren bereits mehrere Schutzprogramme für die bedrohte Affenart. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig es ist, dabei auch kommerziell genutzte Waldgebiete für den Schutz der Orang-Utans zu berücksichtigen und die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Nutzungsstrategien für solche Wälder zu betonen.

(Scientific Reports, 2014; doi: 10.1038/srep04024)

(Forschungsverbund Berlin e.V., 14.02.2014 – AKR)

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