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Neurobiologie

Schönheit wirkt wie eine Droge

Wie attraktiv wir jemanden finden, wird durch körpereigene Opioide beeinflusst – und lässt sich manipulieren

Wie attraktiv Männer dieses Gesicht finden, entscheiden auch körpereigene Drogen. © SXC

Wie schön wir etwas oder jemanden finden, ist manipulierbar: Eine Dosis eines Opioids genügt, und schon erscheinen uns attraktive Gesichter noch wunderbarer. Das belegt jetzt ein Experiment norwegischer Forscher. Sie fanden heraus, dass beim Betrachten schöner Gesichter Ähnliches im Gehirn passiert wie bei einer Sucht: Körpereigene Opioide rufen ein
Glücksgefühl und den Wunsch nach mehr hervor. Und dieser Mechanismus lässt sich sehr einfach austricksen, wie die Versuche enthüllen.

Wenn wir etwas Schönes sehen, löst dies instinktiv ein Wohlgefühl aus: Wir verspüren Freude und schauen es uns gerne länger an – egal ob es sich um ein Kunstwerk, die Natur oder das Gesicht eines Menschen handelt. Das ist auch kein Wunder, denn Studien belegen, dass Schönheit im Gehirn unter anderem Belohnungsschaltkreise aktiviert – die Areale, die Wohlgefühl signalisieren, wenn wir nach einem guten Mahl satt sind, im Spiel Geld gewonnen haben – oder aber durch eine Droge in einen Rausch versetzt werden.

Eine wichtige Rolle für dieses Belohnungssystem spielen Andockstellen für körpereigene Opioide. Diese chemischen Verwandten von Opium und Co schüttet unser Gehirn bei positiven Erfahrungen aus. Sie lagern sich dann an den Rezeptoren des Belohnungssystems an und lösen dort das Wohlgefühl aus, aber auch den Wunsch nach mehr.

Schönheitstest unter Drogen

Olga Chelnokova und ihre Kollegen von der Universität Oslo haben nun in einem Experiment untersucht, ob diese Opioid-Andockstellen auch bei unserer Reaktion auf Schönheit eine Rolle spielen. Dafür zeigten sie 30 männlichen Probanden auf einem Bildschirm jeweils fünf Sekunden lang Gesichter unterschiedlicher Frauen. Die Männer sollten nach jedem Gesicht auf einer Skala angeben, wie attraktiv sie die Gezeigte fanden.

In einem weiteren Durchgang konnten sie zudem durch Knopfdruck die Anzeigezeit der Bilder um fünf Sekunden verlängern oder verkürzen. Der Clou am Experiment aber folgte nun: Die Probanden absolvierten den gleichen Test noch einmal. Diesmal aber erhielt ein Teil von ihnen vorher eine Dosis Morphin – also ein Opioid. Ein weiterer Teil erhielt Naltrexon, einen Stoff, der die Opioid-Rezeptoren blockiert und ein dritter Teil bekam ein Placebo.

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Attraktiver durch Morphin

Das Ergebnis: Probanden, die das Opioid erhalten hatten, empfanden die zuvor als attraktiv bewertete Frauengesichter als noch schöner. Sie schauten sich diese Gesichter auch deutlich länger an. „Umgekehrt erhöhte das Morphin ihr Bedürfnis, unattraktive Gesichter schneller wegzuklicken“, berichten Chelnokova und ihre Kollegen. Waren die Opioid-Rezeptoren dagegen durch Naltrexon blockiert, fanden die Teilnehmer selbst die schönsten Gesichter weniger attraktiv. Und auch der Wunsch, diese Frauen länger anzuschauen, nahm messbar ab.

„Das ist der erste Beleg dafür, dass auch unsere ästhetische Wahrnehmung von Gesichtern des anderen Geschlechts pharmakologisch manipulierbar ist“, konstatieren die Forscher. Ähnlich wie bei Süchten, aber auch bei fundamentalen Bedürfnissen wie dem Essen, reguliert unser Belohnungssystem über körpereigene Opioide das instinktive Wohlgefühl. Wie schön wir einen anderen Menschen finden und wie lange wir ihn anschauen, ist demnach auch eine Sache der Hirnchemie – und damit letztlich über chemische Mittel beeinflussbar. (Molecular Psychiatry, 2014; doi: 10.1038/MP.2014.1)

(Nature Group, 11.02.2014 – NPO)

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